Die letzte Sünde: Kommissar Rosenthal ermittelt in Tel Aviv (German Edition)
Sicherungen durchgebrannt, als du sie gesehenhast? Hat sie dich provoziert? Dir weiter gedroht?«, fuhr Assaf ungerührt fort.
Esra schüttelte heftig den Kopf. »Kommissar Rosenthal, so war das nicht. Ich habe Marina seit meinem letzten Besuch nicht gesehen. Ich habe ihr gesagt, dass sie mir etwas Zeit geben müsste, ich würde das Geld besorgen. Ich wollte doch zahlen ...«
»Du sagst also, du warst an dem Abend nicht noch einmal bei Marina in der Sprachschule?«, fragte Assaf gedehnt. Esra wusste mittlerweile bereits, wo genau Marina umgebracht wurde. Zeitungen hatten von der »toten Ukrainerin an der Sprachschule in Tel Aviv« berichtet, und Esra Schwarz hatte nur eins und eins zusammenzählen müssen. Täterwissen war das nicht mehr. Wohl aber, wie genau Marina gestorben war. Dass sie mit einem Elektrokabel erwürgt wurde.
»Nein, nein ... Ich schwöre es. Ich war nicht bei der Sprachschule«, wimmerte Esra Schwarz.
»Und wie kommt es dann, dass wir Spuren deiner Regenjacke unter Marinas Fingernägeln gefunden haben?« Sie hatten noch keine Zeit gehabt, die Spuren mit Esras Jacke zu vergleichen, aber der Kommissar hatte keinen Zweifel daran, dass es sich um dieselbe Jacke handelte.
Esra Schwarz schaute ihn entsetzt an. »Meine Regenjacke? Das kann nicht sein!« Er sackte in seinem Stuhl zusammen. »Dann muss jemand anderes die gleiche haben«, sagte er mit dünner Stimme.
»Du willst mir erklären, der Mörder von Marina fährt auch Ford und trägt auch eine graue Regenjacke – genau wie du?« Der Kommissar sprang auf und blickte seinen Gegenüber wütend an.
Esra Schwarz hatte gerötete Augen; gleich würde er zu weinen beginnen.
»Esra, hör doch auf zu lügen. Wir haben so viel gegen dich in der Hand. Wir können dir die Tat auch ohne dein Geständnis nachweisen. Aber wenn du mit uns zusammenarbeitest, könnte sich das mildernd auf deine Strafe auswirken.«
Esra zitterten die Hände. Er rang nach Luft. Seine Augenlider zuckten. Assaf war sich sicher, dass er gleich alles gestehen würde. Dann flüsterte der Mann: »Ich habe Marina nicht umgebracht. Ich weiß überhaupt nicht, was hier los ist.«
Assaf verließ fluchend den Raum. Yossi, der im Nebenzimmer das Verhör mit angehört hatte, schaute ihn hilflos an. »Der Kerl ist sturer, als wir dachten«, sagte er enttäuscht.
Assaf nickte. »Wir haben so viel in der Hand gegen ihn. Warum redet er nicht? Ihm muss doch klar sein, dass er aus der Nummer nicht mehr herauskommt.«
Er dachte kurz nach, wie sie weiter vorgehen sollten, dann beschloss er: »Am besten wir stecken ihn erst einmal in einen unserer Hafträume. Dann möglichst schnell ins Ayalon-Gefängnis. Wenn er merkt, dass die Sache ernst ist, wird er schon aufgeben.«
Assaf machte sich auf den Weg in sein Büro. Er bat Zipi, Liora Schwarz über die Festnahme ihres Mannes zu informieren und sie gleichzeitig auf das Revier vorzuladen.
Auf seinem Schreibtisch fand Assaf einen Zettel von Anat. »Ruf mich an, wenn du wieder da bist, Anat«, hatte sie in krakeliger Handschrift notiert.
Assaf drückte die Kurzwahltaste auf seinem Telefon.
Nach nur einem Klingeln nahm sie ab: »Assaf! Du bist wieder da! Wie ist es gelaufen?«
»Wollen wir essen gehen? Und ich erzähl dir alles?«
»Klar. Hol mich ab!«
Er konnte hören, wie sie lächelte.
Anat wartete schon vor ihrer Bürotür, als Assaf die Treppen hochgelaufen kam. Sie trug ein schlichtes, aber elegantes graues Wollkleid. Assaf hatte Anat Cohen noch nie in einem Kleid gesehen. Normalerweise trug sie Jeans und Chucks oder Biker Boots. Typische Mädchensachen schienen nicht ihr Ding zu sein.
»Gut siehst du aus, Kollegin«, sagte Assaf, während er Anat musterte.
Statt einer zickigen Antwort, wie Assaf sie erwartet hatte, strahlten ihn Anats blaue Augen an. »Toda Assaf«, sagte sie und lächelte dabei zuckersüß.
Während Assaf mit Yossi immer in den etwas schmuddeligen Schawarma-Laden neben dem Polizeipräsidium ging, schlug er jetzt das »Seafo« vor. Das griechische Fischrestaurant lag mitten auf dem Flohmarkt in Jaffa und hatte jeden Tag frischen Fisch und Meeresfrüchte im Angebot.
Sie setzten sich an einen Holztisch, von dem sie einen guten Blick in die Küche hatten. Aus den kleinen grauen Musikboxen, die oben fast an der Decke hingen, schmetterte Elvis Presley seine größten Hits.
Ein junger, gutaussehender Typ legte ihnen die Speisekarten auf den Tisch und trug sofort die Spezialitäten des Tages vor. Assaf bestellte einen
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