Die letzte Sünde: Kommissar Rosenthal ermittelt in Tel Aviv (German Edition)
manchmal sogar nützen konnte.
Bei Esra Schwarz aber verhielt es sich anders. Sosehr sie sich auch durch die circa eineinhalbstündige Vernehmung quälten, sosehr sie versuchten, den Verdächtigen in die Ecke zu drängen, ihm die Ausweglosigkeit seiner Lage zu verdeutlichen – Esra Schwarz bestritt vehement, dass er Marina Koslovsky umgebracht hatte. Assaf und Yossi erklärten ihm wiederholt, dass sie ihn auch ohne Geständnis vor Gericht stellen konnten, aber es schien, als würden ihre Worte an ihm abprallen. Assaf hatte mittlerweile das Gefühl, dass selbst Esras Anwalt nicht recht verstand, warum sein Mandant so beharrlich schwieg. Denn auch Oren Ami schien zu bezweifeln, dass Esra Schwarz unschuldig war. Dennoch setzte er sich nach dem Verhör energisch für die Entlassung seines Mandanten ein und drohte, sich direkt bei Richter Cohen zu beschweren, da ja keine Fluchtgefahr bestehe.
Assaf stöhnte auf, er hatte ja geahnt, dass es darauf hinauslaufen würde. Ihnen blieb also nur noch wenig Zeit, in der sie Druck auf Esra Schwarz ausüben konnten.
KAPITEL 19
»Boker tov, Assaf«, sagte die Frauenstimme, und der Kommissar musste sich nicht einmal zur Tür umdrehen, um zu wissen, dass Anat Cohen sein Büro betreten hatte.
»Guten Morgen, Anat«, erwiderte er, während er weiter aus dem Fenster sah.
Sie trat so nah an ihn heran, dass er ihr Parfüm riechen konnte. »Was ist los, Herr Kommissar?«, fragte sie ihn lächelnd.
Er drehte leicht den Kopf, und wieder einmal überraschten ihn ihre strahlend blauen Augen. Jedes Mal, wenn er sie sah, fühlte es sich an, als wäre es das erste Mal.
»Wie läuft es bei dir?«, fragte er zurück.
»Die beiden Schläger von Dudu haben gestanden, dass sie es waren, die Joy misshandelt haben. Und dass sie die Leiche in den Jarkon geworfen haben, nachdem Joy tödlich gestürzt war«, berichtete sie zufrieden.
»Aber warum haben sie das getan? Sie misshandelt, meine ich ...«
Anat sah ihn nachdenklich an. »Sie haben wohl geglaubt, dass Joy der Polizei Informationen über Dudus Drogengeschäfte gegeben hat. Dudu hatte die Schläger auf sie gehetzt, um genau herauszufinden, was sie gesagt hatte.«
»Du meinst, weil sie mir etwas gesagt hat?«, fragte der Kommissar gefasst, während er abwesend wieder aus demFenster sah. Draußen war es grau und stürmisch. Winterwetter, wie sie es lange nicht mehr gehabt hatten. Eine Palme bog sich im starken Wind und sah aus, als würde sie jede Sekunde in der Mitte durchbrechen.
»Assaf, du hast getan, was du tun musstest. Das hätte jeder andere Polizist genauso gemacht.«
Assaf nickte stumm.
»Hör auf, dir Vorwürfe zu machen. Du hast absolut nichts falsch gemacht. Du hättest ihren Tod nicht verhindern können«, redete sie auf ihn ein.
Assaf nahm Anats Hand. »Es ist schon okay.«
Und nachdem sie einen Moment so Hand in Hand vor dem Fenster stehen geblieben waren, sah er sie an und sagte leise, während er ihre Hand drückte: »Glückwunsch zum aufgeklärten Fall.«
»Danke. Und du? Hat dein Verdächtiger endlich geredet?«, fragte sie interessiert.
Assaf schüttelte den Kopf. Er ließ ihre Hand los und strich sich über seinen Bart. »Ich weiß auch nicht. Ich habe langsam das Gefühl, wir haben doch den Falschen erwischt.«
»Aber ihr habt doch Beweise?«
»Natürlich. Wir haben Beweise. Was wir nicht haben, ist ein Geständnis. Von einem Verdächtigen, gegen den alle Beweise sprechen. Da stimmt doch etwas nicht«, knurrte Assaf wütend.
»Dann überleg weiter«, forderte Anat ihn auf. »Denk noch einmal über alles nach. Was könntest du übersehen haben? Wen? Wer hat noch ein Motiv?«
Der Kommissar rollte genervt mit den Augen. »Denkst du, das habe ich noch nicht getan?«
»Aber vielleicht hast du auch etwas Entscheidendes übersehen!«
»Das wäre dir natürlich nicht passiert«, erwiderte er gereizt.
»Ich versuche nur, dir zu helfen«, sagte Anat beleidigt.
»Mit neunmalklugen Sprüchen. Ich weiß selbst, dass ich in alle Richtungen denken muss.«
»Weißt du was, Assaf? Ich wollte dir nur helfen. Mach deinen Scheiß doch alleine!« Anat drehte sich um und verließ, die Tür hinter sich zuknallend, sein Büro.
Assaf sah scheinbar ungerührt weiter aus dem Fenster. Sein Kopf tat ihm weh. Er fühlte sich wie einer dieser Hundesitter, die mit fünf verschiedenen Leinen, begleitet von lautem Gebell, durch die Stadt hetzten. Nur, dass am Ende seiner Strippen Löwen hockten. Und irgendwie hatten sich die Leinen
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