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Die letzte Visite

Die letzte Visite

Titel: Die letzte Visite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Schirm stand, knipste ich noch einmal. Da
war sie aus, und Petra draußen reagierte nicht.«
    »Hm, hm«, machte Nogees. »Sie wollen
sagen, irgend jemand im Schaltraum könnte Ihr Gespräch mit Inge per
Lautsprecher mitgehört haben.«
    »Ich sagte ja, es ist vielleicht
Blödsinn. Ich weiß aber ganz genau, daß ich geknipst und Petra nach Strom gefragt
habe. Und da war das Ding aus. Also muß es vorher eingeschaltet gewesen sein.
Inge und ich haben uns drin unterhalten. Wenn wirklich jemand da war, konnte er
jedes Wort hören.«
    Der Kommissar strich sich über die
Nase.
    »So, so. An der Schalterstellung haben
Sie das vorher nicht merken können?«
    Ich seufzte.
    »Natürlich merkt man es mit der Zeit.
Die Kanone hat fünfzehn verschiedene Kippschalter. Deckenlicht, Rotlicht,
Mikrophon, Arretierung, Durchleuchtungsstrom und so weiter. Durch meine
Knipserei hab’ ich die verkehrte Stellung erwischt. Bin hier noch nicht lange
im Amt.«
    Wieder malte er in seinem Buch.
    Dann sah er mich an.
    »Natürlich wäre das möglich. Es gibt
aber auch andere Möglichkeiten. Kein Mensch kann bezeugen, daß Inge tatsächlich
zu Ihnen gekommen ist und sich mit Ihnen am Turm verabredet hat.«
    »Natürlich nicht«, erwiderte ich mit
Unbehagen, »es sollte ja kein Mensch wissen. Vielleicht hat jemand sie gesehen,
als sie zu mir reinging oder wieder rauskam.«
    »Das kann ich herausfinden«, sagte
Nogees in seiner sanften Art. »Treibt sich zu dieser Zeit im allgemeinen jemand
bei Ihrer Röntgenabteilung herum?«
    Ich schüttelte den Kopf und merkte
dabei, daß ich Kopfschmerzen hatte.
    »Im allgemeinen nicht. Liegt etwas
abseits.«
    »Also wird allenfalls der Mörder in der
Nähe gewesen sein und Inge beobachtet haben. Der wird sich hüten, mir davon zu
erzählen.«
    »Kann ich ihm nachfühlen«, murmelte
ich.
    Nogees klopfte mit dem Bleistift sacht
auf die Tischdecke.
    »Sie wissen, was man denken könnte?«
    Ich sah ihn schwach lächelnd an.
    »Klar, weiß ich das. Ob Inge bei mir
gewesen ist oder nicht. Ich habe sie auf den Turm gelockt und oben erstochen,
in sauberer, chirurgischer Handwerksarbeit. Dann habe ich getan, als hätte ich
sie entseelt aufgefunden, habe Kniezittern markiert und bin schier
besinnungslos vor Grauen zum Haus hinabgestürzt, wie eine pfirsichwangige
Millionenerbin bei Wallace.«
    »Gut erzählen Sie das«, meinte der
Kommissar.
    »Ich habe Übung. So ähnlich hab’ ich’s
meiner Assistentin erzählt nach Annas Tod. Weil ich es da in ähnlicher Weise
vollbracht habe. Ich weiß nur nicht recht, warum.«
    »Ich auch nicht«, sagte Nogees.
»Hoffentlich finde ich es noch heraus. Immerhin wäre schon einzusehen, warum
Inge gerade mit Ihnen sprechen wollte. Sie waren neu, uneingeweiht, ungefährlich.
Sie kamen herunter, als Anna zum Turm gegangen war und Inge Nachtwache hatte.
Inge hatte Schritte gehört, als Sie noch fort waren. Vielleicht hat sie auch
etwas gesehen oder geahnt. Inge will gesehen haben, wer sich das Fläschchen mit
dem Streptomycin unter die gepflegten Nägel gerissen hat, hm.«
    Er senkte die Lider, kniff die Augen
zusammen, sprach weiter.
    »Doktor Bold, wissen Sie noch irgend
etwas, das Ihnen merkwürdig erscheint, seit Sie hier sind? Kann eine
Kleinigkeit sein. Alles ist wichtig.«
    Ich dachte nach unter meiner
schmerzenden Hirnhaut. Ich war müde und schlecht durchblutet. Ohne Zweifel war
dieser Zustand schuld, daß ich etwas vergaß. Später fiel es mir ein, und dann
hätte es mich fast mein blühendes Leben gekostet.
    »Nein, Herr Kommissar. Das ist partout
alles. Mehr kann ich aus der Geschichte nicht rausholen. Hab’ Ihnen erzählt,
was ich weiß. Wenn mir wirklich noch was einfallen sollte, bin ich sehr
geschwind bei Ihnen.«
    Nogees klappte sein Buch zu und stand
auf.
    »Schön, Doktor. Wenn ich Sie brauche,
dann erst morgen früh. Legen Sie sich nieder.«
    »Hoffentlich träume ich nicht«, sagte
ich.
    Er ging zur Tür, drehte sich noch mal
um.
    »Ach, sagen Sie, dieser Patient, der,
den Ihre Petra holen mußte, wie hieß der gleich?«
    »Strassmann«, antwortete ich.
    »So. Strassmann. Von welcher Station
war er?«
    »Station? Moment — der war — ich glaube
von drei. Ja, drei. Petra sagte noch, die Drei brauchte immer eine
Extraeinladung.«
    Nogees nickte.
    »Drei. Und wer hat die Drei?«
    »Die hat Fräulein Doktor von Stagg.«
    Wieder nickte Nogees.
    »So. Fein. Na, dann gute Nacht.«
    Er ließ mich allein. Ich blieb noch
eine Weile stehen, bevor ich zum Waschbecken

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