Die letzte Walstatt - Covenant 03
Fell noch sein Knochengerüst zusammenzuhalten schien. Aber er lief in ununterdrücktem Stolz geradewegs auf Covenant zu.
Anscheinend sah Pietten ihn nicht kommen. Er befand sich in einer Art von persönlicher Trance, war exaltiert vom Blutvergießen. In höchster Versunkenheit bog er seinen Arm zurück, seinen Oberkörper so weit rückwärts, während die Leidenschaft des Tötens seine Muskeln dehnte – allem anderen gegenüber gleichgültig, schleuderte er den Speer wie einen Blitz der Vergeltung nach Covenants Herz.
Der Ranyhyn wechselte schlagartig die Richtung, rannte zwischen den zwei Männern hindurch, dann taumelte er und sank zusammen wie ein Sack voller loser Knochen. Als er sich auf der Flanke ausstreckte, sahen beide Männer den Speer aus seinem blutbesudelten Fell ragen.
Der Anblick suchte Pietten heim wie ein Anfall von Wahnsinn. Er stierte an, was er getan hatte, als sei es unvorstellbar, unerträglich. Die Schultern sanken ihm herab, seine Augen weiteten sich vor Fassungslosigkeit. Für das, was er erblickte, schienen ihm die Worte zu fehlen. Seine Lippen bebten über sinnlosem Wimmern, und die Muskeln seiner Kehle zuckten, als könne er nicht schlucken. Falls er Covenant herankrauchen sah, ließ er sich nichts anmerken. Seine Arme baumelten an den Seiten, bis Covenant sich vor ihm auf einem Bein aufrichtete und ihm mit beiden Händen das spitze Steinhausener-Messer in die Brust rammte.
Covenant gab ihm den Stich wie zwei Handvoll Haß. Der eigene Schwung trieb ihn vornüber, und er kippte auf Piettens Leiche. Blut, das rings um die eingedrungene Klinge herausgesprudelt war, befleckte seine Jacke, machte seine Hände glitschig, besudelte sein Hemd. Aber er achtete nicht darauf. Dieser eine Stich schien all seinen Ingrimm verbraucht zu haben. Er wälzte sich von dem Leichnam und kroch hinüber zu Lena, schleifte seinen gebrochenen Fußknöchel nach wie einen Mühlstein der Qual.
Als er sie erreichte, stellte er fest, daß sie noch lebte. Die gesamte Kleidung auf ihrem Oberkörper war mit Blut getränkt, und sie hustete dünne Blutrinnsale über ihre Lippen; aber noch lebte sie. Er packte den Dorn, um ihn herauszuziehen. Aber als er ihn bewegte, entfuhr ihr vor Schmerz ein lautes Ächzen. Mühsam öffnete sie die Augen. Ihr Blick war klar, als sei sie nun endlich befreit von der Verwirrung, die ihr Leben bestimmt hatte. Ein Moment verstrich, ehe sie Covenant erkannte; dann versuchte sie zu lächeln.
»Lena«, keuchte er. »Lena ...«
»Ich liebe dich«, antwortete sie mit blutverquollener Stimme. »Ich bin unverändert.«
»Lena!« Er mühte sich ab, ihr Lächeln zu erwidern, aber der Versuch verzerrte sein Gesicht, als müsse er zu schreien anfangen.
Ihre Hand tastete nach ihm, berührte seine Stirn, als wolle sie sein Stirnrunzeln glätten. »Gib die Ranyhyn frei!« flüsterte sie. Die Bitte nahm ihr die letzte Kraft. Sie starb mit Blut zwischen den Lippen.
Covenant starrte es an, als sei es ein Makel. Seine Augen blickten fiebrig drein, als wäre er innerlich versengt worden. Ihm gingen keine Begriffe durch den Kopf, aber er wußte, was geschehen war: Vergewaltigung, Verrat, jetzt auch noch Mord – er hatte all das verbrochen, jedes dieser Verbrechen verübt. Er hatte den nach dem Kampf am Holzheim Hocherhaben geleisteten Schwur gebrochen, den Vorsatz, nicht wieder zu töten. Für einen langen Moment betrachtete er seine gefühllosen Finger, als besäßen sie keinerlei Bedeutung. Nur das Blut an ihnen zählte. Schließlich wandte er sich von Lena ab. Wie der zersetzerische Wurm einer abartigen Leidenschaft kroch er hinüber zu dem Ranyhyn.
Schaum der Qual hing dem Ranyhyn am Maul, und seine Flanken hoben und senkten sich unter schauderhaftem Beben. Doch er sah Covenant ruhig entgegen, als verspüre er zum erstenmal im Leben keine Furcht vorm Weißgoldträger. Sobald Covenant zu ihm gelangte, kümmerte er sich unverzüglich um die Verletzung. Der Speer stak tief im Fleisch; zuerst bezweifelte er, daß es ihm gelingen werde, ihn herauszuziehen. Aber er zerrte mit beiden Händen daran, stemmte die Ellbogen dem Ranyhyn, der schwer schnaufte, in die Rippen. Schließlich konnte er den Schaft herausreißen. Blut pulste aus der Wunde, aber der Ranyhyn raffte sich hoch, stand auf wackligen, unsicher gespreizten Beinen da, drückte Covenant das Maul ans Gesicht, wie um ihm mitzuteilen, er werde überleben.
»Na schön«, murmelte Covenant, halb an sich selbst gewandt. »Hau ab! Zieh los ... sag's
Weitere Kostenlose Bücher