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Die letzte Walstatt - Covenant 03

Die letzte Walstatt - Covenant 03

Titel: Die letzte Walstatt - Covenant 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Tenorstimme Gott ruft dich heut durch Jesum Christ an zu singen. Zu dieser Untermalung faltete Dr. Johnson seine Hände. »Meine Freunde«, rief er, »beten Sie mit mir.« Sofort senkten die Versammelten einmütig die Köpfe. Auch Covenant neigte sein Haupt. Aber in dieser Haltung brannte seine Stirnwunde in unerträglichem Maß. Er blickte wieder auf. »Schließen Sie die Augen, meine Freunde«, sagte gerade Dr. Johnson. »Schließen Sie sie vor Ihren Nachbarn, Ihren Kindern, Ihren Eltern und Lebensgefährten. Verschließen Sie sie jeder Ablenkung. Blicken Sie in Ihr Inneres, meine Freunde. Blicken Sie tief in Ihr Inneres und erkennen Sie das Übel, das dort verborgen liegt. Hören Sie die Stimme Gottes sagen: ›Gewogen und zu leicht befunden.‹ Beten Sie mit mir in Ihren Herzen. Süßer heiliger Jesus, Du bist unsere einzige Hoffnung. Nur Deine Göttliche Gnade kann das Übel heilen, das unseren Mut zum Schwinden bringt, die Fasern unseres Glaubens mit Moder bedroht, uns in Deinen Augen besudelt. Nur Du allein kannst die Krankheit antasten, die den Frieden stört, und sie heilen. Wir entblößen Dir unsere Herzen, Herr. Hilf uns, den Mut für jene fünf schweren, schweren Wörtchen zu finden: ›Ich glaube, hilf meinem Unglauben!‹ Gütiger Herr Jesus, wir bitten Dich, schenk uns die Kraft, auf daß wir heil werden.« Ohne eine Atempause breitete er über der Versammlung seine Arme aus. »Spüren Sie Seinen Geist, meine Freunde?« fügte er hinzu. »Fühlen Sie ihn in Ihren Herzen? Empfinden Sie, wie der Finger Seiner Gerechtigkeit Ihre wunde Stelle in Leib und Seele berührt? Wenn ja, dann treten Sie vor und lassen Sie mich mit Ihnen für Ihr Heil beten.« Er neigte in stummer Andacht den Kopf, während er auf die Reuigen wartete, die seinem Aufruf folgen mochten. Aber Covenant war bereits durch den Mittelgang unterwegs. Der Platzanweiser hatte eine vergebliche Bewegung gemacht, um ihn festzuhalten, aber er zog sich zurück, als mehrere Zuhörer aufschauten. Fiebrig stapfte Covenant durch die gesamte Ausdehnung des Zelts und erklomm die rohen, hölzernen Stufen aufs Podium, blieb erst vor Dr. Johnson stehen.
    »Helfen Sie mir«, sagte er mit glänzenden Augen in heiserem Flüsterton.
    Der Mann war noch kleiner, als er schon von unten aus dem Publikum wirkte. Sein schwarzer Anzug schimmerte abgewetzt, und das Hemd war vom langen Tragen zerknittert und schmuddelig. Er hatte sich seit längerem nicht rasiert, aus seinen Hamsterbacken und Wangen ragten zottige, borstige Stoppeln. Als Covenant vor ihn trat, zeigte sein Gesicht einen Ausdruck von Verunsicherung – beinah eine Miene des Erschreckens –, aber er maskierte ihn rasch mit Mildheit. »Dir helfen, mein Sohn?« meinte er mit gebremstem Wohlklang. »Nur Gott allein kann dir helfen. Aber ich will freudig mein Gebet mit dem Aufschrei jedes zerknirschten Herzens vereinen.« Er legte eine Hand nachdrücklich auf Covenants Schulter. »Knie nieder, mein Sohn, und bete mit mir. Laß uns den Herrn gemeinsam um Hilfe bitten.«
    Covenant wollte hinknien, sich der gebieterischen Beeinflussung durch Dr. Johnsons Hand und Stimme unterwerfen. Doch seine Knie waren aus Dringlichkeit und Erschöpfung starr. Der Schmerz in seiner Stirn brannte wie Säure, die sich zu seinem Hirn durchfraß. Er spürte, daß er vollends zusammenbrechen müßte, wenn er niederkniete. »Helfen Sie mir«, flüsterte er noch einmal. »Ich kann's nicht ertragen.«
    Angesichts von Covenants Widerstand nahm Dr. Johnsons Gesicht einen strengen Ausdruck an. »Bist du reumütig, mein Sohn?« wollte er würdevoll erfahren. »Hast du die wunde Stelle der Sündhaftigkeit in deiner Seele gefunden? Sehnst du dich wahrhaftig nach der Göttlichen Gnade des Allmächtigen Gottes?«
    »Ich bin krank.« Covenant antwortete wie in einer Litanei. »Ich habe Verbrechen begangen.«
    »Und bist du reuevoll? Kannst du jene fünf schwierigen Wörter mit aller aufrichtigen Pein deines Herzens sprechen?«
    Unwillkürlich verkrampften sich Covenants Kiefer. »Hilf meinem Unglauben«, sagte er durch aufeinandergebissene Zähne, als quetsche er ein Wimmern hervor.
    »Sohn, das ist zuwenig. Du weißt, daß es zuwenig ist.« Dr. Johnsons Strenge steigerte sich zu selbstgerechtem Vorwurf. »Wage Gott nicht zu verspotten. Er wird dich für immer verstoßen. Glaubst du? Glaubst du an Gottes Heil?«
    »Ich ...« Covenant mühte sich ab, um seine Kiefer zu bewegen, aber seine Zähne blieben zusammen, als seien sie von seiner

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