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Die letzte Walstatt - Covenant 03

Die letzte Walstatt - Covenant 03

Titel: Die letzte Walstatt - Covenant 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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zur Haven Farm erreichte. Dort sah er im kalten Licht der Sterne neben seinem Briefkasten einen großen Sack stehen. Ein Augenblick verstrich, bis ihm einfiel, daß der Sack Lebensmittel enthalten mußte; der Händler im Ort belieferte ihn zweimal wöchentlich, um gegen die Gefahr vorzubeugen, daß er seine Einkäufe womöglich in Person zu erledigen wünschte. Und gestern – am Mittwoch – war einer der Liefertage gewesen. Aber sein rücksichtsloses Fasten hatte ihn so beansprucht, daß er keinen Gedanken daran verschwendet hatte. Er packte den Sack, ohne sich mit der Frage aufzuhalten, warum er sich überhaupt die Mühe machte, und trug ihn auf der Zufahrt zum Haus.
    Doch sobald er in der hellen Beleuchtung seiner Küche in den Sack schaute, kam ihm zu Bewußtsein, daß er sich inzwischen zum Essen entschlossen hatte. Rache erforderte Kraft; er konnte nichts tun, um es seinen Quälgeistern heimzuzahlen, wenn er zu schwach war, um sich auf den Beinen zu halten. Er holte aus dem Sack einen Beutel Korinthenbrötchen. Der Beutel war an der Seite säuberlich aufgeschnitten worden, aber er mißachtete den dünnen Schlitz. Er riß die Plastikumhüllung herunter und warf sie beiseite. Die Brötchen waren, weil sie sich über Nacht im Freien befunden hatten, trocken und hart. Er nahm eines und hielt es in der Handfläche, betrachtete es wie einen Schädel, den er aus irgendeinem alten Grab geraubt hatte. Der Anblick des Brots bereitete ihm Übelkeit. Ein Teil seines Innern verlangte nach einem reinlichen Hungertod, und ihm war, als könne er seine Hand nicht heben, seine Entscheidung, sich zu rächen, niemals in die Tat umsetzen. Wild riß er das Korinthenbrötchen an den Mund und biß hinein.
    Ein scharfer Gegenstand geriet ihm zwischen oberen Gaumen und Unterlippe. Bevor er im Zubeißen nachlassen konnte, schnitt das Ding tief ein. Schmerz stach ihm ins Gesicht wie ein spitzer Scherben. Mit einem Keuchen ruckte er das Korinthenbrötchen wieder heraus. Es war mit Blut getränkt. Blut rann ihm wie Speichel übers Kinn. Als er das Korinthenbrötchen mit den Händen zerteilte, fand er darin eine Rasierklinge versteckt.
    Zuerst war er viel zu erstaunt, um irgendwie zu reagieren. Das Vorhandensein der rostigen Klinge schien sein Begriffsvermögen zu übersteigen; er vermochte kaum zu glauben, daß wirklich Blut seine Hände beschmutzt hatte, ihm Blut vom Kinn auf den Fußboden tropfte. Wie betäubt ließ er das Korinthenbrötchen seinen Fingern entfallen. Dann wandte er sich ab und betrat die chaotische Trümmerstätte seines Wohnzimmers.
    Unwiderstehlich zog Joans Bild seinen Blick an. Es lag mit dem Foto nach oben unter den Überresten des Kaffeetischs, und das Glas des Rahmens wies ein Gespinst aus Rissen auf. Er schob den Tisch fort, hob das Bild auf. Hinter den Sprüngen lächelte Joan ihn an, als sei sie in einem Netzwerk der Sterblichkeit gefangen, ohne es zu ahnen.
    Er begann zu lachen. Anfangs lachte er leise, steigerte sich jedoch bald zu irrem Heulen empor. Wasser rann ihm aus den Augen, als weine er Tränen, aber er lachte, er lachte, als müsse er platzen. Seine Ausbrüche von Gelächter verspritzten Blut auf seine Hände, Joans Bild und das verheerte Zimmer. Unvermittelt schleuderte er das Bild von sich und lief hinaus. Joan sollte nicht Zeugin seiner Hysterie werden. Unter wahnwitzigem Lachen stürmte er aus dem Haus und in den Wald, darauf bedacht, selbst wenn er nun vollends die Gewalt über sich verlor, es möglichst weit von der Haven Farm entfernt zum endgültigen Zusammenbruch kommen zu lassen.
    Sobald er den Righters Creek erreichte, bog er ab und folgte dem Bach stromaufwärts zwischen die Hügel, fort von der gefährlichen Verlockung der Menschen, so schnell ihn seine gefühllosen, linkischen Füße trugen; die ganze Zeit über behielt er sein verzweifeltes Gelächter bei. Irgendwann im Laufe der Nacht machte er einen Fehltritt; und als er merkte, daß er am Erdboden lag, lehnte er sich an einen Baum, um für einen Moment zu verschnaufen. Sofort schlief er ein und erwachte erst, als ihm die Morgensonne voll ins Gesicht schien. Eine Zeitlang erinnerte er sich nicht, wo er war oder wer. Das heiße, helle Licht der Sonne schien ihm das Gehirn auszubrennen; es flimmerte ihm dermaßen vor den Augen, daß er seine Umgebung nicht wahrnehmen konnte. Doch als er den schwachen, wortlosen Schrei der Furcht vernahm, begann er zu kichern. Er war zu schwach zu lautem Lachen, aber er kicherte vor sich hin, als sei

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