Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Walstatt - Covenant 03

Die letzte Walstatt - Covenant 03

Titel: Die letzte Walstatt - Covenant 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
ihm nichts anderes von seinem Innenleben verblieben. Der schwache Schrei wiederholte sich; davon angestachelt, brachte er ein kräftigeres Lachen zustande, und begann den Versuch, sich aufzurichten. Doch diese Anstrengung erforderte Kraft. Er mußte zu lachen aufhören, um Luft zu bekommen. An den Baum gestützt, schaute er umher, spähte durch die Blendwirkung der Sonne in die verwaschenen Umrisse des Waldes.
    Nach und nach vermochte er wieder etwas zu erkennen. Er befand sich ziemlich hoch an einem Hügel mitten im Wald. Die meisten Zweige und das Gesträuch strotzten bereits von frühlingshaft hellgrünen Blättern. Nur ein paar Meter entfernt rauschte der Righters Creek munter den steinigen Hang des Hügels hinab und verschwand wie ein spielerisch gewundener, silberner Pfad zwischen den Bäumen. Wegen der Felsigkeit des Untergrunds war ein Großteil des Hügels unterhalb von Covenants Standort von Buschwerk frei; nichts behinderte seine Sicht.
    Ein merkwürdiger Farbfleck am Fuß des Hügels erregte seine Aufmerksamkeit. Mit etwas Mühe bekam er ihn in den Brennpunkt seines Augenlichts. Es handelte sich um ein Kleid, das hellblaue Kleid eines Kindes – eines kleinen Mädchens von vielleicht vier oder fünf Jahren. Es stand, halb Covenant zugedreht, mit dem Rücken am schwarzen, geraden Stamm eines hohen Baums. Es schien sich rücklings ins Holz pressen zu wollen, aber der gleichgültige Stamm gewährte keinen Einlaß. Nun schrie es ohne Unterbrechung, und die Schreie klangen in Covenants aufgewühltem Verstand wie flehentliche Anrufungen. Während des Schreiens starrte das Kind in unverhohlenem Entsetzen auf einen Fleck am Erdboden, einen halben bis dreiviertel Meter entfernt. Zunächst vermochte Covenant nicht zu erkennen, was es anstarrte. Doch dann unterschieden seine Ohren das leise dumpfe Rasseln, und da bemerkte er auch den unheilvollen, braunen Leib der Klapperschlange. Die Grubenotter lag weniger als einen Meter von den nackten Beinen des Mädchens entfernt zusammengerollt. Ihr Kopf wiegte sich hin und her, als suche sie die richtige Stelle zum Zupacken.
    Covenant begriff nun das Entsetzen des Kindes. Ehe ihm ein Zuruf über seine blutverkrusteten Lippen kommen konnte, stieß er sich vom Baum ab und begann den Abhang hinunterzulaufen. Der Hügel schien sich unendlich hinzuziehen, und seine Beine waren beinahe zu schwach, um ihn hinabzubefördern. Bei jedem abwärtigen Satz gaben seine Muskeln nach, und jedesmal sackte er fast auf die Knie. Aber die Furcht des Mädchens, der er sich nicht verweigern konnte, hielt ihn aufrecht. Er übersah die Schlange. Sein Blick haftete unverrückbar auf den nackten Schienbeinen des Kindes, und er konzentrierte sich voll auf die Wichtigkeit dessen, es zu erreichen, ehe sich die Fangzähne der Klapperschlange in das Fleisch bohrten. Die übrige Gestalt des Mädchens hatte er nur verschwommen im Blickfeld, als existiere es für ihn nur im Zusammenhang mit der Gefährdung. Mit jedem schrillen Aufschrei flehte es ihn um Eile an.
    Aber er achtete nicht darauf, wohin seine Füße traten. Bevor er die Hälfte des Abstands überwunden hatte, stolperte er – flog kopfüber hangabwärts, purzelte und rollte über rauhe Felsen. Für einen Augenblick gelang es ihm, sich mit den Armen zu schützen. Aber dann prallte sein Kopf auf eine größere steinerne Fläche am Hügel. Er schien in den Fels zu stürzen, als vergrabe er sein Gesicht in Dunkelheit. Die harte Oberfläche schien über ihn hinwegzuschwappen wie eine Woge; ihm war, als könne er fühlen, wie er tief in das steinerne Wesen der Felsen fiel.
    Nein! schrie er innerlich. Nein! Nicht jetzt!
    Er lehnte sich mit jedem Jota seiner Kraft auf. Aber es war zuviel für ihn. Er versank, als ertränke er im Stein.

2
     

Variols Sohn
     
     
    Hoch-Lord Mhoram saß tief im Herzen Schwelgensteins in seinen persönlichen Gemächern. Die schmucklosen, aus dem Fels des Berges gehauenen Wände, die ihn umgaben, waren von kleinen Gefäßen voller Glutgestein in den Ecken der Räumlichkeit behaglich beleuchtet, und der unaufdringliche Duft frisch aufgebrochener Erde, der den dank der Lehre gluterfüllten Steinen entströmte, umwob ihn mit Behaglichkeit. Dennoch vermochte er den widernatürlich frühen Winter zu spüren, der sich übers Land gelegt hatte. Trotz der wackeren Herdfeuer, die die Glutsteinmeister und Allholzmeister der Herrenhöh überall entfacht hatten, sickerte merklich bittere Kälte in den Granit der Bergfeste

Weitere Kostenlose Bücher