Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Walstatt - Covenant 03

Die letzte Walstatt - Covenant 03

Titel: Die letzte Walstatt - Covenant 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
sein. Pietten, Hile Troy, Trell und Triock gingen allesamt auch auf sein Schuldkonto. Keiner von ihnen hatte überhaupt je existiert. Sein Schmerz existierte nicht. Nichts außer der einen absoluten Frage zählte. »Haß?« stöhnte er tief in seiner Kehle auf.
    Ohne die Antwort auf diese Frage konnte nichts irgendeine Bedeutung haben. Trotz ihrer vielfältigen Tarnungen erkannte er sie nun als jene eine Frage, die sein Leben von jenem Tag an bestimmt hatte, da er erfuhr, daß das Reglement der Leprose ihn sich unterworfen hatte. Abscheu, Selbstabscheu, Furcht, Vergewaltigung, Mord, ›Lepra-Aussätziger-Unrein!‹ – das alles war ein und dieselbe Sache. Er hinkte auf der Suche nach der Lösung dahin.
    Zum erstenmal seit dem Anfang seiner Erlebnisse im Lande stand er vollkommen für sich allein.
    Der Anbruch der kränklich grauen Morgendämmerung überraschte ihn auf ungefährem Wege nach Nordosten. Fiebrig hinkte er vorwärts, auf den Speer gestützt, schlotterte im Schüttelfrost des Winters. Die krankhafte Helligkeit des Morgens schien einen Teil seines Innern anzusprechen und aufzuwecken. An einer flachen Stelle der windgeschützten Seite einer Anhöhe ließ er sich niedersacken und versuchte, seine Situation neu zu beurteilen.
    Der Wind johlte um ihn, als er mit kranken, starren Fingern an seinem Hosenbein zupfte. Als es ihm gelang, den Stoff zu heben, verspürte er beim Anblick der dunklen Verfärbung oberhalb seines Fußknöchels eine stumpfsinnige Verblüffung. Sein Fuß hing in schiefem Winkel am Bein, und er sah aus dem verkrusteten Blut Knochensplitter gegen die Riemen seiner Sandale ragen.
    Die Verletzung sah erheblich schlimmer aus, als sie sich anfühlte. Der Schmerz machte sich dumpf in seinem Kniegelenk bemerkbar, stach schubweise sogar durch den Oberschenkel bis in seine Hüfte herauf, aber der Schmerz im Fuß selbst war durchaus erträglich. Die Kälte hatte seine beiden Füße bis zur Gefühllosigkeit erfroren. Und beide waren aufgerissen und zerschrammt und von schmerzfreien Infektionen verunstaltet wie die Füße eines Pilgers. Gleichgültig überlegte er, daß er den gebrochenen Fuß wahrscheinlich verlieren würde. Aber auch diese Möglichkeit besaß für ihn kein Gewicht; sie war nur ein weiterer Bestandteil seiner Erlebnisse und existierte ebensowenig wie alles andere.
    Er hätte bestimmte Dinge in seinem eigenen Interesse tun sollen, aber er besaß nicht die entfernteste Vorstellung, um was es sich handeln mochte. Er hatte keine Ahnung von überhaupt irgend etwas, kannte nur den zentralen Drang, der ihn antrieb. Ihm fehlten Nahrung, Wärme, das Wissen, wer er war und wohin er sich unterwegs befand. Doch schon hatte er es eilig, diesen Weg fortzusetzen. Nichts außer Bewegung konnte sein Lebensblut am Zirkulieren halten – nichts außer Bewegung konnte ihn zu seiner Antwort führen.
    Keine probeweise oder halbe Antwort würde seinen Drang zufriedenstellen können.
    Er straffte sich, dann rutschte er aus und fiel, schrie wegen unverspürter Schmerzen unbewußt auf. Für einen Moment brüllte der Winter in seinen Ohren wie ein von Triumph erfülltes Raubtier. Sein Atem rasselte, als hätten die Klauen der Kälte ihm bereits die Luftwege und Lungen zerrissen. Aber von neuem stemmte er den Speer in die hartgefrorene Erde und richtete sich – Hand über Hand – daran auf, bis er wieder stand. Erneut schleppte er sich vorwärts.
    Er kämpfte sich über den Hügel hinweg und danach bis zu einem flachen Höhenrücken, der quer auf seinem Weg lag wie eine Mauer. Seine Arme zitterten unter der Anstrengung, das eigene Körpergewicht zu tragen, und wiederholt rutschten seine Hände vom glatten Schaft des Speers ab. Der Aufstieg gab ihm nahezu den Rest. Als er oben war, keuchte die Luft in unregelmäßigen Stößen aus seinen vom Frost zermarterten Lungen, und ein eisiges Schwindelgefühl ließ die ganze Winterlandschaft vor seinen Augen von der einen zur anderen Seite schwanken. Er verschnaufte, auf den Speer gestützt. Seine Atmung verlief so mühselig, daß er meinte, der gefrorene Schweiß und Atemdampf in seinem Gesicht müßten ihn ersticken. Doch als er versuchte, die Eisschicht zu entfernen, brach sie, als sei sie ein natürlicher Schutzpanzer, verletzte seine Haut, entblößte der Kälte weitere Nerven. Also ließ er den Rest seiner Frostmaske, wo er war, stand da und keuchte, bis seine Sicht sich zu guter Letzt wieder klärte.
    Die rauhe, öde Region, die vor ihm lag, war so trostlos, durch

Weitere Kostenlose Bücher