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Die letzte Walstatt - Covenant 03

Die letzte Walstatt - Covenant 03

Titel: Die letzte Walstatt - Covenant 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Nachmittag hinüberdämmerte, fiel er immer häufiger. Und nach jedem Sturz lag er reglos da und lauschte dem Schluchzen, mit dem ihm die Luft in die Lungen fuhr und wieder hinaus, als ob mit dem Bruch seines Fußknöchels auch irgendein lebenswichtiger Knochen in ihm gebrochen sei, das Gerüst seines sonst so hartnäckigen Durchhaltevermögens, als habe ihn nun letztendlich sogar die Gefühllosigkeit im Stich gelassen, sich in irgendeiner Beziehung als nutzlos erwiesen, ihn der Gnade seiner Verletzung ausgeliefert. Mit der Zeit begann er zu glauben, daß sein Traum ihn schließlich doch umbringen werde.
    Irgendwann mitten am Nachmittag glitt er aus, schlug hin, wälzte sich herum, blieb auf dem Rücken liegen. Er vermochte keine Kraft zum Umdrehen aufzubringen. Wie ein aufgespießtes Insekt zappelte er noch einen Moment lang, dann erschlaffte er und sank in tiefen Erschöpfungsschlaf, gefangen zwischen dem ehernen Himmel und der Erde aus Erz.
    Träume wühlten seine Bewußtlosigkeit auf, ließen ihm nicht einmal darin seine Ruhe. Immer wieder erlebte er, wie er Pietten mit beiden Fäusten den tödlichen Stich versetzte. Doch nun, im Traum, brachte er diesen Stich anderen Herzen bei – den Herzen Llauras, Mähnenhüter Reumuts, Elenas, Joans, jener Frau, die beim Kampf am Holzheim Hocherhaben getötet worden war, als sie ihn schützte (warum hatte er nie nach ihrem Namen gefragt?). In seinen Träumen erstach er sie alle. Sie lagen rings um ihn, scharfer Lichtschein drang aus ihren Wunden, den Noten einer fremdartigen Melodie ähnlich. Ihre Töne zerrten und zupften an ihm, bedrängten ihn – aber ehe er die Klänge richtig hören konnte, erschien vor ihm, in seinem geistigen Traum-Blickfeld, eine weitere Gestalt, die Schlagseite wie eine angeschlagene Fregatte hatte. Der Mann war in Elend und Gewalttätigkeit gehüllt. An seinen Händen klebte Blut, und in seinen Augen glitzerte die Lust zum Morden, aber Covenant konnte das Gesicht nicht erkennen. Wieder hob er das Messer, rammte es wieder mit aller Kraft in die verwundbare Brust. Erst da erkannte er: der Mann war er selbst.
    Er zuckte zusammen, als habe der öde Himmel ihn getreten, warf sich herum, auf den Bauch, verbarg sein Gesicht, seine Wunde.
    Als er sich auf den Schnee besann, worin er lag, raffte er sich unsicher hoch und humpelte hinaus in den Spätnachmittag.
    Nicht lang, und er kam an einen Hang, der ihn überforderte. Er warf sich aufwärts, klomm und kroch so halsstarrig, wie es noch ging. Aber er war erschöpft und stark behindert. Er wich nach links aus und hinkte am Hügel entlang, suchte eine Stelle, wo der Aufstieg ihm gelingen könne, aber plötzlich merkte er, daß er unerklärlicherweise abwärtsrutschte. Als er irgendwo unten zu einem wackligen Halt kam, ruhte er verwirrt für ein Weilchen aus. Er mußte die Hügelkuppe überquert haben, ohne es zu merken. Erneut rappelte er sich auf, keuchte und ächzte, schleppte sich von neuem weiter.
    Der nächste Hügel machte es ihm nicht leichter. Aber er mußte hinüber. Als er nicht mehr höher konnte, wich er wiederum nach links aus, wandte sich linksseitig aufwärts, obwohl ihm war, als nähere er sich aus irgendeinem sonderbaren Grunde damit dem Fluß.
    Nach kurzer Strecke entdeckte er im Schnee eine Spur.
    Ein Teil seines Innern begriff, daß er Beunruhigung verspüren müßte, aber er empfand nur Erleichterung, Hoffnung. Eine Spur, das hieß, jemand mußte hier vorbeigekommen sein, und zwar erst vor kurzem, oder der Wind hätte die Fußabdrücke bereits verweht. Und es konnte sein, daß dieser Jemand ihm half.
    Er brauchte Hilfe. Er fror, hungerte, drohte zu verrecken. Unter der Kruste aus Narbengewebe und Eis blutete sein Fußknöchel immer noch. Er hatte das Unendlichkeitsmaß seines Unvermögens erreicht, seiner Handlungsunfähigkeit, den Punkt, an dem nichts mehr lief, über den hinaus er nicht glauben, nicht hoffen, sich nicht einmal vorstellen konnte, daß ein Fortdauern möglich sei, ein Weiterleben. Er brauchte den Verursacher dieser Fährte, wer oder was sie hinterlassen haben mochte, um sein Schicksal für ihn zu entscheiden.
    Er folgte ihrem Verlauf nach links, abwärts in eine Senke zwischen Hügeln. Er hielt seinen Blick auf die Abdrücke unmittelbar vor seinen Füßen geheftet, weil er befürchtete, wenn er aufblicke, könne er erkennen, daß der Hinterlasser der Fährte außer Sicht sei, außerhalb seiner Reichweite. Er sah, an welchen Stellen derjenige gefallen war, Blut verloren

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