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Die letzte Walstatt - Covenant 03

Die letzte Walstatt - Covenant 03

Titel: Die letzte Walstatt - Covenant 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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ein.
    Hoch-Lord Mhoram fühlte diesen Frost. Er verspürte seinen Einflug in der materiellen Verfassung der großen, von Riesen geschaffenen Festungsstadt. Auf fast unterbewußter Ebene kauerte sich Schwelgenstein wider die Kälte zusammen.
    Die ersten natürlichen Anzeichen der Wende vom Winter zum Frühling waren um einen vollen Monddurchgang zu spät aufgetreten. Nur vierzehn Tage blieben bis zur Frühlingsmitte, und noch klammerte sich Eis ans Land. Im Umkreis des keilartig herausgebildeten Tafelbergs der Herrenhöh lag wenig Schnee; die Luft war für Schnee zu kalt. Sie umwallte Schwelgenstein in einem böigen, ungewöhnlichen Ostwind, der das Vorgebirge mit einer dünnen Schneeschicht bedeckte, alle Fenster der Herrenhöh fingerdick verfrostete und den See zu Füßen der Schleierfälle mit Eis zum Erstarren brachte. Mhoram mußte nicht erst die Bosheit riechen, die mit dem Wind übers Land wehte, um seinen Ursprung zu erkennen. Er kam von Ridjeck Thome, Fouls Hort.
    Während der Hoch-Lord da allein in seinen Gemächern saß, die Ellbogen auf den steinernen Tisch, das Kinn in eine Handfläche gestützt, war er sich des Windes bewußt, der durch den Hintergrund seiner Gedanken fauchte. Vor zehn Jahren hätte er behauptet, so etwas sei unmöglich; man könne die natürliche Ordnung des Wetters im Lande nicht derartig stören. Sogar vor fünf Jahren, nachdem er Zeit gehabt hatte, den Verlust des Stabes des Gesetzes zu bewerten und immer wieder nochmals zu bewerten, hätte er bezweifelt, daß der Weltübel-Stein Lord Foul solche Macht verleihen könne. Aber heute verstand er mehr davon, wußte er es besser.
    Hoch-Lord Elenas Kampf mit dem toten Kevin Landschmeißer hatte vor sieben Jahren stattgefunden. In jenem Ringen mußte der Stab des Gesetzes vernichtet worden sein. Mit dem Schwinden der Stützkraft des Stabes, die ihm für die natürliche Ordnung der Erde innegewohnt hatte, war der verderbenbringenden Macht des Verächters ein großes Hemmnis aus dem Wege geräumt. Und das Gesetz des Todes war gebrochen worden; Elena hatte den Alt-Lord Kevin aus seinem Grabe herbeibeschworen. Mhoram vermochte die schrecklichen Folgen jenes Eingriffs nicht einmal in ihren Ansätzen abzusehen. Er blinzelte, und seine goldfleckigen Augen richteten ihren Blick auf die Skulptur, die eine Armlänge entfernt von seiner Nase auf dem Tisch stand. Das Bein, woraus das Kunstwerk bestand, glänzte im Schein des Glutgesteins weißlich. Es handelte sich um eine ›Markkneterei‹, das letzte der von Elena gefertigten Anundivian-jajña -Werke. Der Bluthüter Bannor hatte das Stück gerettet und es Mhoram ausgehändigt, als sie sich in der Würgerkluft auf dem Galgenhöcker wiedertrafen. Es war eine mit feinen Einzelheiten versehene Büste, das Abbild eines hageren, abgehärmten, undurchschaubaren Gesichts, dessen Züge angespannt waren von prophetischem Wirken. Nachdem Mhoram und die Überlebenden des Kriegsheers aus der Würgerkluft nach Schwelgenstein zurückgekehrt waren, hatte Bannor ihm die Geschichte des beinernen Bildwerks erzählt. Der Bluthüter hatte sich sogar ungewöhnlich ausführlich dazu geäußert. Seine gewohnte Bluthüter-Zurückhaltung war beinahe der Weitschweifigkeit gewichen; und diese Ausführlichkeit des Berichts hatte Mhoram eine erste Vorstellung von der grundlegenden Veränderung vermittelt, die in dem Bluthüter vorgegangen war. Und dessen Erzählung hatte ihrerseits – dadurch schloß sich der Kreis – eine große Änderung in Mhorams Leben ausgelöst. Durch eine merkwürdige, eigene innere Folgerichtigkeit hatte sie der Befähigung des Hoch-Lords zum Sehertum ein Ende bereitet. Er war im Großrat der Lords nicht länger Seher und Orakel. Wegen dem, was er erfahren hatte, erhaschte er in seinen Träumen keine weiteren Einblicke in die Zukunft, ersah im Tanzen der Flammen keine neuen Schemen ferner Ereignisse. Das geheime Wissen, das er wie eine unwillkürliche Eingebung aus dem ›Markkneterei‹-Bildwerk bezogen hatte, blendete das Augenlicht seines Sehertums.
    Noch mehr war ihm dadurch widerfahren. Es hatte ihn mit mehr Hoffnung und zugleich Furcht erfüllt, als er jemals zuvor empfunden hatte. Und es entfremdete ihn teilweise von den anderen Lords; in gewisser Hinsicht war er von allen Bewohnern Schwelgensteins entfremdet worden. Wenn er durch die Gänge der Festung schritt, konnte er dem Mitgefühl, Schmerz, Zweifel und der Verwunderung in ihren Blicken anmerken, daß sie sein Abrücken wahrnahmen, seine

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