Die letzte Walstatt - Covenant 03
gesät werden sollte – roch es lebhaft nach dem Nahen von Knospen, Sprößlingen und Frühling, nach der Fruchtbarkeit grünen Lebens, das in gesundem Erdreich aufgekeimt war; inmitten dieses braunen Dufts hätte sie in Selbstvergessenheit sinken, Lord Fouls Winter, den Kranken und alle Pein vergessen können. Doch er war lediglich ein Bestandteil ihrer Arbeit. Durch die Liebe zu alldem, was dieser Duft ausdrückte, blieb sie an Covenants Seite gebannt. Dort verwurzelte sie sozusagen ihre Füße, dann widmete sie letztmals einen Moment der genauen Überlegung, um sich restlos darüber im klaren zu werden, was sie zu tun beabsichtigte.
Um sein Gesicht sowie die Hände und Füße brauchte sie sich nicht zu kümmern. Sie besaßen für seine Genesung keine entscheidende Bedeutung. Und die Krankheit seines Geistes war zu komplex und vielschichtig, als daß man sich damit befassen konnte, bevor er wieder körperlich in ausreichend guter Verfassung war, um die Strapaze der Heilung durchhalten zu können. Folglich richtete sie ihren lehmigen Blick auf seinen gebrochenen Knöchel.
Als sie sich auf diese Verletzung konzentrierte, wurde der Feuerschein noch dunkler, satter, noch kraftvoller und bestimmter, bis er die gleiche Farbe besaß wie der Schimmer ihrer Augen zwischen ihrem Gesicht und Covenants Knöchel. Der gesamte Rest der Höhle verschwand in Düsternis; bald darauf herrschte nur noch im Bereich des Bindeglieds, den ihr aufmerksamer Blick zwischen ihr und Covenants Schmerz schuf, eine gewisse Helligkeit. Sie glomm zwischen den beiden, verband sie, vereinte nach und nach die Gegensätze von Heilungsbedürftigkeit und Heilkraft. Mitten in der Wärme und dem Geruch des Feuers ergab sich ein Zustand der Verschmelzung, als ob sie ein Wesen seien, entschlackt von aller Trennung, vervollständigt.
Blind und zittrig, als sei sie ihrer selbst nicht länger bewußt, lenkte sie ihre Hände auf den Knöchel, erkundete ihn mit ihrer Berührung, bis sie Beschaffenheit und Winkel des Bruchs in ihrem Unterbewußtsein präzis kannte. Danach zog sie ihre Hände zurück.
Ihre Kraft ordnete sie sich unter, ließ ihr sich selbst überlassenes Fleisch durchsichtig wirken, jeder Bedeutung beraubt; sie verwandelte sich in ein willenloses Werkzeug ihrer Aufgabenstellung, Anker und Quell des Bandes, das sie eins mit seiner Wunde machte.
Sobald das Band stark genug war, zog sie sich von Covenant zurück. Ohne Willen oder Besinnung beugte sie sich vor und hob den glatten, schweren Stein auf, den sie als Stößel verwendete; willenlos und ohne sich dessen bewußt zu sein, hielt sie ihn in beiden Händen wie ein gewichtiges Geschenk, als böte sie ihn Covenant an. Dann hob sie den Stein über ihren Kopf.
Sie blinzelte, und das Band aus tiefbraunem Glanz bebte.
Mit aller Kraft schwang sie den Stein abwärts und schlug ihn gegen den eigenen Knöchel. Die Knochen brachen wie trockenes Holz.
Schmerz durchstach sie – eine Pein wie vom Splittern von Seelen, ihrer und seiner Seele. Sie schrie auf und stürzte, sackte kraftlos am Erdboden zusammen.
Zeit verstrich, für sie erfüllt mit ausgedehnter Qual, die jede andere Tür ihres Geistes verriegelte und verrammelte. Sie lag am Boden, während das Feuer zu düsterer Asche niederbrannte, der Frühlingsduft in der Höhle zu Staub verkam, die geisterhaften Fasern des Wurzelgeflechts leuchteten und später fahler glommen. Nichts existierte für sie, nur der eine durchdringende Augenblick, in dem sie Covenants Schmerz Paroli bot – die eine Sekunde, in der sie allen Schmerz, seinen und ihren, auf sich genommen hatte. Die Nacht verging, kehrte wieder; immer noch lag sie verkrümmt da. Ihr Atem fauchte heiser zwischen ihren welken Lippen, und ihr Herz flatterte am Rande des Stillstands. Wäre sie lange genug zu Bewußtsein gekommen, um sich fürs Sterben entscheiden zu können, sie hätte es bereitwillig und freudig vorgezogen. Aber der Schmerz verfuhr mit ihr nach Lust und Laune, bis er alles war, was sie noch von Leben oder Tod wußte.
Schließlich kam ihr der Gedanke, daß es, als sie jünger war, nie so schlimme Formen angenommen hatte. Die alten Kräfte waren nicht ganz von ihr gewichen, aber nicht einmal ihre schwersten Prüfungen waren derartig hart ausgefallen. Durst und Hunger zermarterten ihren Körper. Auch das war früher nicht so gewesen. Wo waren die Leute, die auf sie achtgeben sollten – die ihr zumindest Wasser hätten einflößen sollen, damit sie nicht verdurstete, bevor der
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