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Die letzte Walstatt - Covenant 03

Die letzte Walstatt - Covenant 03

Titel: Die letzte Walstatt - Covenant 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Leben mit eigenem hohen Einsatz gerettet hatte. Die Erinnerung an diese Dankbarkeit war ihr sehr wertvoll, und sie hielt das Gewand für lange Zeit in den Händen, die vom Alter zitterten. Jetzt war sie alt, alt und allein; sie brauchte keine feinen Kleider mehr. Ihr abgerissener Umhang diente gut genug, sowohl als Alltagstracht als auch zum Totenhemd. Mit freundlichem Blick in den lehmigen Augen nahm sie das Gewand und bekleidete damit Covenant.
    Die Mühe, die es kostete, seine schlaffe Gestalt zu bewegen, beschleunigte ihren Atem, und sie ruhte sich anschließend wieder aus, murmelte aus alter Gewohnheit vor sich hin. »Ach, Erbarmen, Erbarmen. Das ist Werk für Junge ... für Junge. Ich ruhe und ruhe, aber ich werde nicht wieder jung. Ach, reden wir nicht davon. Ich habe mich nicht auf der Suche nach Jugend in den Wald von Morinmoss begeben. Ich bin hier, weil's mir am Herz für mein Wirken ermangelte. Habe ich's denn noch nicht wiedergefunden ... nach all dieser Zeit? Ach, aber die Zeit ist kein Heiler. Der Leib wird alt ... und nun versklavt ein grausiger Winter die Welt ... und das Herz erneuert sich nicht. Erbarmen, Erbarmen! Mut gehört den Jungen, und ich bin alt ... alt. Aber zweifelsfrei, große Dinge sind im Gange ... groß und gräßlich. Weißgold! Bei der Sieben! Weißgold! Und dieser Winter ist des Verächters Schandtat, aber Morinmoss widersteht. Ach, schreckliche Zwecke werden verfolgt ... Die Bürde dieses Mannes ist mir durch einen schrecklichen Zweck auferlegt worden. Ich kann mich nicht ... darf mich nicht verweigern. Darf's nicht! Ach, Erbarmen, aber ich habe Furcht. Ich bin alt ... habe gar keinen Grund zur Furcht ... nein, ich fürchte den Tod nicht. Aber den Schmerz. Den Schmerz. Erbarmen ... hab' Erbarmen mit mir, mir fehlt's an Mut für dieses Werk.« Doch Covenant lag auf ihrer Lagerstatt wie eine unabweisbare Forderung, geformt aus gebrochenen Knochen, Blut und Seele, und nach einem kurzen Nickerchen besann sie sich wieder. »Na, auch das muß ich beiseite tun. Auch das Klagen ist kein Heiler. Ich muß davon lassen und mein Werk verrichten.«
    Steif erhob sie sich und suchte das entfernte Ende der Höhle auf, wo ihr Brennholz lagerte. Selbst jetzt hoffte sie noch, es werde sich herausstellen, daß sie davon zuwenig besaß; dann wäre es notwendig, den Wald nach herabgefallenen Ästen und Zweigen abzusuchen, bevor sie sich an die Hauptaufgabe machen konnte. Aber der Holzstapel war hoch genug. Sie vermochte sich nicht einzureden, daß er weitere Verzögerungen rechtfertigte. Sie brachte einen Großteil des Vorrats zum Feuer und stellte sich darauf ein, den Anfang mit ihrer Prüfung zu machen.
    Als erstes nahm sie den Topf mit dem Glutgestein aus der Nische über Covenant und schob ihn in die Mitte des Feuers, so daß Wärme und Lichtschein der Glutsteine das Feuer ergänzten und verstärkten. Dann begann sie, beim bloßen Gedanken an das, was sie tun mußte, schon ins Keuchen zu verfallen, das Feuer kräftiger zu entfachen. Sie schürte es, nährte es mit trockenem, hartem Holz, bis die Flammen an die Höhlendecke hinaufloderten und ihre Hitze auf die Stirn der alten Heilerin Schweiß trieb. Und als das gedämpfte Brausen der Lohe gleichmäßig die Luft durchzüngelte, die Moosvorhänge am Höhleneingang im Luftzug flattern ließ, nahm sie erneut den Beutel mit dem Pulver zur Hand, mit dem sie die Brühe zubereitet hatte. Als sie im Innern des Beutels die Faust ballte, zögerte sie noch einmal, als sei mit dem nächsten Schritt eine unwiderrufliche Einlassung verbunden. »Ach, Erbarmen«, seufzte sie mit brüchiger Stimme. »Ich muß daran denken ... dran denken, daß ich allein zur Stelle bin. Niemand wird ihn behandeln ... nur ich bin da. Ich muß das Werk von zweien vollbringen. Aus diesem Grunde pflegen Einsiedler nicht zu heilen. Aber ich muß das Werk tun.«
    Sie schnaufte vor Aufregung über die eigene Waghalsigkeit und warf eine kleine Menge des Pulvers ins hochlodernde Feuer.
    Sofort begann die Glut sich zu verändern. Die Flammen flackerten nicht herab, sondern brannten stiller, setzten ihre Energie in eine weniger sichtbare Form um. Ihre Färbung wandelte sich von Orange, Rot und Gelb zu Braun, einem Braun, das sich stetig noch dunkler färbte, als entsprängen die Flammen keinem Holz, sondern zähem Lehm. Und während die Helligkeit des Feuers nachließ, breitete sich in der Höhle ein kräftiger Duft aus. Für die Heilerin roch es nach frisch aufgebrochener Erde, in die

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