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Die letzte Walstatt - Covenant 03

Die letzte Walstatt - Covenant 03

Titel: Die letzte Walstatt - Covenant 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Schmerz nachließ? Wo waren die Familienmitglieder oder Freunde, die ihr die Kranken und Verletzten brachten, die mit Freuden alles taten, um sie bei ihrer Heilertätigkeit zu unterstützen?
    Mit der Zeit führten diese Fragen dahin, daß sie sich daran erinnerte, allein zu sein, daß sowohl sie als auch der Kranke keinerlei Beistand hatten. Er war während der ganzen Dauer ihrer Prüfung ebenfalls ohne Essen und Wasser geblieben; und wenn ihre Kräfte auch nicht versagt haben mochten, keinesfalls befand er sich in der Verfassung, um diesen Entzug aushalten zu können. Er konnte trotz alledem gestorben sein, was sie für ihn durchgemacht hatte.
    Mit einer Anstrengung, die ihren alten Körper vor Entkräftung zum Schlottern brachte, erhob sie sich vom Erdboden.
    Auf Händen und Knien verschnaufte sie, röchelte schwerfällig. Sie mußte die schwächlichen Überreste ihrer selbst zusammenraffen, ehe sie sich dem Kranken wieder widmete. Falls er tot war, oblagen ihr schaurige Aufgaben. Sie müßte sich durch des Verächters Winter schleppen, um den Weißgoldring den Lords in Schwelgenstein zu bringen. Und sie würde mit der Tatsache, daß ihr Schmerz der Schmerz des Scheiterns gewesen war, leben müssen. Diese Aussichten erschreckten sie.
    Doch zugleich wußte sie, daß selbst diese weitere kurze Verzögerung den Unterschied ausmachen konnte. Sie stöhnte laut, während sie aufzustehen versuchte.
    Doch ehe sie die Beine unter sich bekam, näherte sich von der Lagerstatt unsichere Bewegung. Ein Fuß trat sie zurück an den Boden. Der Kranke humpelte an ihr vorbei und drängte sich durch den Moosvorhang nach draußen, während sie mit ausgebreiteten Gliedern hinsackte.
    Der Überraschungseffekt des Gewaltaktes war ihr unangenehmer als der Tritt selbst; der Mann war viel zu schwach, um ihr ernsthaft etwas antun zu können. Und seine Gewalttätigkeit weckte wieder einiges von ihrer Energie. Indem sie derbe Flüche hervorkeuchte, richtete sie sich mit steifen Gliedmaßen auf und hinkte ihm hinterdrein.
    Kaum sechs Meter vom Höhleneingang entfernt holte sie ihn ein. Der fahle, glänzende Blick der Baumstämme hatte seine Flucht gebremst. Er schwankte hin und her, ein Wimmern der Furcht in seiner Kehle, als seien die Bäume wilde Bestien, die ihm auflauerten.
    »Du bist von Übeln befallen«, sagte die Heilerin zu ihm, aus Müdigkeit sehr leise. »Verstehst du ansonsten nichts, so sieh zumindest das ein. Kehr zurück auf die Bettstatt!«
    Er drehte sich wacklig um. »Du willst mich umbringen.«
    »Ich bin Heilerin. Ich töte nicht.«
    »Du verabscheust Aussätzige und willst mich kaltmachen.« In seinem verhärmten Gesicht quollen die Augen auf irre Weise hervor. »Du existierst nicht einmal.«
    Sie konnte erkennen, daß die Erschöpfung seinen vom Amanibhavam und seiner unbegreiflichen Krankheit verursachten Wahnzustand noch verstärkte; beide beherrschten ihn mit solcher Gewalt, daß sie sich gar nicht länger voneinander unterscheiden ließen. Und sie war ihrerseits zu schwach, um ihn gütlich bändigen zu können; sie durfte keine Kraft für Worte oder Sanftmut vergeuden, die bei ihm nichts bewirkten. Statt dessen trat sie bloß dicht vor ihn hin und rammte ihm starre Finger in seine Magengrube.
    Als er unter ersticktem Ächzen ins Gras fiel, ging sie zum nächststehenden Aliantha -Strauch.
    Er befand sich ganz in der Nähe des Höhleneingangs, aber sie war so extrem erschöpft, daß sie beinahe wieder zusammensank, ehe es ihr gelang, ein paar Schatzbeeren zu pflücken und zu essen. Sobald sie sie jedoch geschluckt hatte, kam deren Kraftfülle ihr schnell zu Hilfe. Ihre Beine erhielten neue Standfestigkeit. Einen Moment später war sie bereits dazu in der Lage, die Kerne zur Seite zu werfen und weitere Beeren zu pflücken.
    Als sie die Hälfte aller reifen Früchte gegessen hatte, pflückte sie auch den Rest davon und nahm ihn für Covenant mit. Er versuchte, ihr auf allen vieren zu entwischen, aber sie drückte ihn nieder und zwang ihn zum Essen. Anschließend trat sie zu einem umfangreichen Gehänge von Moos, das nahebei baumelte, trank ausgiebig von seiner schweren grünen Nässe. Danach fühlte sie sich erfrischt und gestärkt, auf jeden Fall genug, um den Kranken zurück in die Höhle zu schleifen, ihn dort so lange zu bändigen, bis sie ihn mit einer Prise ihres eigentümlichen Pulvers in neuen Schlaf versetzt hatte.
    Unter anderen Umständen hätte sie ihn wegen der Panik bemitleidet, die in ihm anschwoll, als er

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