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Die letzte Walstatt - Covenant 03

Die letzte Walstatt - Covenant 03

Titel: Die letzte Walstatt - Covenant 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Luft wies ihn darauf hin, daß er nicht in der Höhle bleiben konnte. Er raffte das Gewand und durchquerte gebückt den Zugang, um zu schauen, ob sich erkennen ließ, wo er sich befand.
    Draußen unter den grauen Wolken des Tages bereitete ihm der Anblick des Waldes eine weitere Überraschung. Er erkannte den Wald von Morinmoss wieder; er hatte seine Gehölze schon einmal durchmessen. Seine ungenauen Kenntnisse der Geographie des Landes vermittelten ihm eine ungefähre Vorstellung davon, wo er war, aber ihm blieb völlig unklar, was ihn in diese Gegend verschlagen hatte. Der letzte Gegenstand in seiner Erinnerung war der langsame Tod von Lord Fouls Winter.
    Hier war vom Winter wenig zu sehen. Die schwarzen Bäume lehnten aneinander, als seien sie für alle Zeiten im ersten, längst angegrauten Silberstreif des Frühlings verwurzelt und darin haften geblieben; aber die Luft war eher frisch als bitter, und am freien Erdboden zwischen den Baumstämmen wuchs reichlich Gras. Er schnupperte die Düfte des Waldes, während er über seine aller Vernunft nach unbegründete Zuversicht nachdachte, und ein Weilchen später kam er zu der Überzeugung, daß er auch Morinmoss nicht zu fürchten brauchte.
    Als er sich umwandte, um in die Höhle zurückzukehren, hatte er zumindest über die ersten Umrisse seines neuen Weges, den er beschreiten wollte, Klarheit gewonnen.
    Er sah davon ab, die Frau zu begraben; ihm standen keine geeigneten Werkzeuge zur Verfügung, und er hatte keine Lust, den Wald durchs Aufreißen seines Erdreichs womöglich zu verdrießen. Er trug ihr Gewand und zeigte damit einen gewissen Respekt, aber ihm fiel darüber hinaus nichts ein, um ihr irgendeine Geste zu erweisen. Er hätte sich sogar gerne für das entschuldigt, was er tat – was er getan hatte –, doch er war dazu außerstande, sich noch Gehör bei ihr zu verschaffen. Schließlich bettete er sie auf ihr Lager, legte ihre starren Glieder zurecht, so gut es sich machen ließ, um ihr ein wenig letzte Würde zu verleihen. Dann kramte er aus ihrem Besitz einen Sack hervor und packte an Lebensmitteln hinein, was er finden konnte.
    Zu guter Letzt trank er das restliche Wasser und ließ den Krug stehen, um Last zu sparen. Mit einer Anwandlung von Bedauern ließ er auch den Topf mit Glutgestein zurück; er wußte, daß Wärme ihm unterwegs gelegen käme, aber er verstand mit Glutgestein nicht umzugehen. Das Messer, das seltsamerweise mitten auf dem Fußboden lag, rührte er nicht einmal an, weil er die Nase voll von Messern hatte. Er dachte an Lena und küßte sanft die kalte, runzlige, erdbraune Wange der Toten. Dann verließ er die Höhle mit einem Achselzucken, murmelte »Erbarmen!«, als sei das Wort ein aus ihrem Opfer gewonnener Talisman.
    Er schritt in den Tag seiner neuen Einsichten hinaus.
    Er zögerte nicht, was die Wahl der Richtung betraf. Aus seiner früheren Erfahrung wußte er, daß Morinmoss' Terrain eine allgemeine Neigung vom Nordwesten zum Südosten aufwies, hinunter zu den Ebenen von Ra. Aufgrund dessen folgte er dem Gefälle, den Sack auf der Schulter, das Herz leer – gelassen, weil Entbehren es ausfüllte, wie bei einem Menschen, der vor der Aussicht einer farblosen Zukunft kapituliert hatte.
    Noch ehe er drei Kilometer weit gewandert war, begann das Tageslicht aus der Luft zu weichen, und der Abend fiel von den Wolken herab wie Regen. Aber Morinmoss persönlich erhellte ihm den Weg. Und nach seiner ausgedehnten Erholung hatte er kein Bedürfnis nach Schlaf. Er verringerte sein Tempo, um sich bewegen zu können, ohne die dunklen Gehänge von Moos anzufassen, und marschierte weiter, während der Wald rings um ihn Ruhelosigkeit entwickelte, nervös flimmerte. Das uralte Unbehagen, die halbbewußte Erinnerung an Erbitterung und maßlose Verstümmelung, war nicht gegen ihn gerichtet – die dauerhaft schlechte Laune der Bäume schien vielmehr regelrecht zu weichen, wo er vorüberstrebte, ihm den Weg freizugeben –, aber trotzdem spürte er es, hörte es im Wind raunen, als atme Morinmoss durch zusammengebissene Zähne. Covenants Sinne blieben beschnitten, dumpf vom Winter, ebenso wie vor der Krise mit Pietten und Lena, doch er konnte wahrnehmen, daß der Wald ihn duldete. Morinmoss bemerkte ihn und befleißigte sich in seinem Namen einer außergewöhnlichen Toleranz, machte eine Ausnahme.
    Da fiel ihm ein, daß auch die Würgerkluft ihn in Ruhe gelassen hatte. Er erinnerte sich an Caerroil Wildholz und seinen Schüler wider Willen. Obwohl

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