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Die letzte Walstatt - Covenant 03

Die letzte Walstatt - Covenant 03

Titel: Die letzte Walstatt - Covenant 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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aushändigte. Er wollte es aus seinem Blickfeld entfernt haben, als sei es ein Verräter, aber diese Empfindung erfaßte nur einen entlegenen Teil seines Innenlebens. Mit dem Rest seiner selbst raffte er sich die dünne, blaue Robe um den Leib, als sei er töricht genug, noch zu glauben, sie könne ihn vor der Kälte schützen, und verließ den befestigten Balkon wie ein Schlafwandler. Das kurze, steife Haar, das ihm seit dem Brand in der Klause nachgewachsen war, verlieh ihm ein leicht schwachsinniges Aussehen. Menschen folgten ihm, jammerten, forderten, aber er behielt seinen wie hölzernen Schritt bei, blieb ihnen voraus, auf daß er nicht die Not in ihren Mienen sehen müsse.
    Er verwendete keinen Gedanken darauf, wohin er strebte, bis er eine Gabelung des Gangs erreichte. Dort warf ihn das Gewicht der fälligen Entscheidung fast von neuem auf die Knie – nach links und hinab in die Festung, oder nach rechts und hinauf ins Hochland des Tafelbergs. Er wandte sich nach rechts, weil er ahnte, er könnte die unbeabsichtigten Anschuldigungen Schwelgensteins nicht ertragen – und weil er bereits wußte, daß er keine Wahl hatte.
    Als er die Steigung des ausgedehnten Gangs zu erklimmen begann, blieben die Menschen hinter ihm zurück, ließen ihn gehen. Er hörte sie flüstern.
    »Er begibt sich zum Freischüler ... dem Deuter der Träume.«
    Aber das war keineswegs seine Absicht; er hatte einem Orakel keine Fragen zu stellen. Orakel waren für Menschen, deren zweideutige Gesichte einen Unterschied ausmachen konnten, aber die einzigen Dinge, die für Hoch-Lord Mhoram, Variols Sohn, noch einen Unterschied bedeuten mochten, waren solche, die ihm Mut einflößten.
    Wie betäubt vor Entsetzen kletterte er empor in den Wind, der mit Sichelschärfe über die offene Weite des Tafelbergs fegte. Durch sein eisiges Heulen, das auf- und niederschwoll, hörte er den Kampfeslärm des Ansturms, der sich an den Wällen der Festung brach, indem sich Wellen um Wellen von Angreifern wie Brecher gegen eine trotzige, letztendlich aber doch zerbrechliche Klippe warfen. Aber er ließ den Lärm hinter sich zurück; er war nur ein Wahrzeichen, eine Zusammenfassung von des ganzen Landes scheußlichem Verhängnis. Ohne Thomas Covenant ...! Weiter wagte Mhoram nicht einmal zu denken.
    Er entfernte sich durch kahle Hügel von Schwelgenstein, kam an den Fluß und wanderte nordwärts an ihm entlang, in seinem Herzen einen Abgrund, wo eigentlich des Landes Überleben hätte eingeschreint sein müssen. So mußte sich, befand er, Kevin Landschmeißer gefühlt haben, als Lord Foul den Kurash Plenethor besetzt hatte und alle Maßnahmen außer der Schändung keinerlei Aussichten boten. Er wußte nicht, wie er diesen Schmerz sollte erdulden können.
    Nach einiger Zeit stand er durchgefroren im Wind auf einem Hügel oberhalb des Glimmermere-Sees. Drunten erstreckten sich die köstlichen, mit Kraft gesegneten Wasser des Sees trotz der Flegeleien des Windes vollkommen frei von Kräuseln. Obwohl der Himmel darüber grau war wie die Asche des Weltuntergangs, schien die Erinnerung an Sonnenschein in ihm nachzuschimmern. Er spiegelte die Hügel und die fernen Berge makellos wider, und in der klaren Tiefe konnte man die unermeßlich abgründigen, felsigen Hänge sehen.
    Mhoram besaß darüber Klarheit, was er zu tun hatte; es mangelte ihm nicht an Verstehen, sondern an Mut. Die letzten Anforderungen der Treue lagen in seinem Innern vor ihm ausgebreitet, mitten in seinem Grausen, wie die Karte eines Landstrichs, der nicht länger bestand. Als er, starr vor Kälte, hinab zum See wankte, geschah es, weil er sich sonst nirgendwo hinwenden konnte. Glimmermere enthielt Erdkraft. Er legte am Ufer seinen Stab ab, entledigte sich seiner Kleidung und stürzte sich in den See, hoffte darauf, er werde für ihn bewirken, was er allein nicht für sich zu bewirken vermochte. Obschon er längst fast gefühllos war vor Kälte, schien das Wasser sein gesamtes Fleisch zu verbrennen, ihn aus seiner Benommenheit zu schrecken wie eine Verbrühung seiner Nerven. Er hatte mit seinen Gedanken keineswegs beim Schwimmen geweilt, als er sich ins Wasser warf, aber die Kraft, die Glimmermere innewohnte, löste in ihm bestimmte Handlungen aus. Er arbeitete sich empor an die Oberfläche. Mit einem halb gebrüllten Keuchen kam er zum Vorschein, ruderte für ein Weilchen, um in der eisigen Kälte wieder atmen zu können, dann schwamm er wieder zum Ufer, an die Stelle, wo er Kleidung und Stab

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