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Die letzte Walstatt - Covenant 03

Die letzte Walstatt - Covenant 03

Titel: Die letzte Walstatt - Covenant 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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veranlaßte ihn zum Trotzen, obwohl er wußte, daß er aus dieser kalten Tiefe nie wieder nach oben zurückkehren konnte. Gegen den Widerstand des Schlamms beugte er den Oberkörper, grapschte mit den Händen an seinen Beinen entlang, um die Finger zu finden, die ihn hielten. Aber es gelang ihm nicht, sie zu finden. Sie zogen ihn abwärts – er spürte ihren nassen Griff um seine Knöchel –, aber seine Hände berührten nichts, wo die fremden Fäuste sein müßten, sein mußten.
    In dieser extremen Notsituation war ihm, als könne er einen Moment lang im Weißgold ein Pulsieren bemerken. Aber die Wahrnehmung vermittelte ihm keinerlei Macht, kein Machtbewußtsein, und sobald er sich darauf zu konzentrieren versuchte, schwand sie.
    Die Luft in seinen Lungen begann sich zu verbrauchen. Rote Stränge von Licht durchschnitten die Innenseiten seiner Lider. Doch nicht so! fing er innerlich wild zu schreien an. Doch nicht so!
    Im nächsten Moment bemerkte er eine Richtungsänderung. Während seine Lungen zu bersten drohten, zerrten die Hände ihn in die Horizontale, dann plötzlich aufwärts. Mit einem klammen Schmatzgeräusch hoben sie ihn aus dem Schlamm an schale, von Schwärze erfüllte Luft.
    Mit krampfhaftem Keuchen begann er wieder zu atmen. Die Luft war muffig und widerlich wie in einer feuchten Gruft, aber sie bedeutete Leben, und er schnappte mit wahrer Gier danach. Für einen ausgedehnten Moment machte ihn das rote Wetterleuchten seines Gehirns für die Dunkelheit ringsum blind. Doch sobald sich seine Atmung zu einem matten Japsen beruhigt hatte, wischte er sich den Schlick aus den Augen und blinzelte umher, versuchte festzustellen, wo er sich befand.
    Die Schwärze rundum war undurchdringlich.
    Er lag auf feuchtem Lehm. Als er sich regte, berührte seine linke Schulter eine lehmige Wand. Er erhob sich auf die Knie und streckte die Hände in die Höhe; eine Armeslänge über seinem Kopf konnte er die Decke fühlen. Anscheinend hielt er sich in irgendeinem unterirdischen Hohlraum unterhalb der Schlammgrube auf.
    »Er kann nicht sehen«, sagte breiig eine Stimme nah an seinem Ohr. Sie klang mickrig und furchtsam, aber er fuhr vor Überraschung zusammen, schrak zurück und rutschte keuchend näher zur Wand.
    »Das ist gut«, bemerkte eine andere zittrige Stimme. »Er könnte uns etwas antun.«
    »Es ist nicht gut. Macht für ihn Licht.« Diese Stimme wirkte resoluter, aber auch sie bebte vor Beunruhigung.
    »Nein!« – »Nein, nein!« Covenant konnte bei diesem Protest acht oder zehn Sprecher unterscheiden.
    »Wenn wir nicht beabsichtigen, ihm zu helfen«, sagte die gefaßtere Stimme, »hätten wir ihn nicht retten sollen.«
    »Er könnte uns etwas antun.«
    »Es ist noch nicht zu spät. Ertränkt ihn!«
    »Nein.« Die beherrschtere Stimme bekam Nachdruck. »Wir haben uns für dies Wagnis entschieden.«
    »Ach! Wenn der Erschaffer erfährt ...«
    »Wir haben uns entschieden, sag ich! Zu retten und dann zu töten – das wäre wahrlich eine Erschaffer-Schandtat. Besser wär's, er täte uns etwas an. Ich werde ...« Furchtsam zögerte die Stimme. »Ich werde selbst Licht machen, wenn's sein muß.«
    »Haltet euch bereit!« Mehrere Sprecher riefen durcheinander, als schlügen sie gegen Covenant Alarm.
    Einen Moment später hörte er ein seltsames, schlüpfriges Geräusch, als zöge jemand einen Stock durch Matsch. Ein trüber, roter Glanz, dem Steinlicht ähnlich, entstand etwa einen Meter vor seinem Gesicht.
    Das Licht ging von einer grotesken Lehmgestalt aus, die am Boden der unterirdischen Kammer stand. Sie war ungefähr sechzig Zentimeter hoch und kam ihm vor wie eine von den ungeübten Händen eines Kindes geformte Tonfigur. Er konnte plumpe Glieder erkennen, vage, mißratene Gesichtszüge, aber keine Augen, Ohren, keinen Mund, keine Nase. Rötliche Schlammtaschen in dem braunen Etwas glommen trüb und verbreiteten schwache Helligkeit.
    Covenant stellte fest, daß er sich am Ende eines Tunnels befand. In der Nähe war ein Schlammtümpel mit brodelndem Schlick, über dem sich Wände, Boden und Decke vereinten und den Hohlraum umschlossen. Aber in der entgegengesetzten Richtung führte der Tunnel in ausgedehntes Dunkel. Und dort, am Rande des Lichtscheins, standen ein Dutzend oder mehr solcher untersetzter Lehmgestalten, genau wie jene vor Covenant.
    Sie rührten sich nicht, blieben stumm. Sie wirkten leblos, als seien sie von jener Kreatur, die – was für eine es auch gewesen sein mochte – den Tunnel

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