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Die letzte Walstatt - Covenant 03

Die letzte Walstatt - Covenant 03

Titel: Die letzte Walstatt - Covenant 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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konnte nicht aufgeben. Die Verletzung des Kindes duldete keine Unfähigkeit seiner Art. In dem nackten Schienbein sah er zuviel von seinem für ihn verlorenen Sohn Roger. Trotz der Nägel der Qual, die ihn peinigten, stapfte er weiter vorwärts.
    Dann hörte er aus der Ferne Rufen, als ob Menschen nach jemandem schrien, der ihnen abhanden gekommen war, und mit einem Ruck verharrte er, stand auf steifen Beinen unsicher da und versuchte, sich zu orientieren. Aber er schien seinen Kopf nicht länger unter Kontrolle zu haben. Er wackelte unbrauchbar auf seinem Hals, als habe das Gewicht der Schwellung ihn gelockert, und Covenant mußte sich damit abfinden, daß er nicht in die Richtung zu blicken vermochte, woher die Rufe erschollen. »Mami«, wimmerte das Mädchen auf seinen Armen in kläglichem Ton, »Papi ...«
    Er bemühte sich, seinen straffen schwarzen Schmerz das Wörtchen Hilfe aussprechen zu lassen. Aber kein Ton kam über seine Lippen. Er rang seinen Stimmbändern gewisse Äußerungen ab. »Helft mir!« Er brachte sie nicht lauter als geflüstert zustande. Laute wie von heiserem Schluchzen schüttelten ihn, aber er konnte nicht unterscheiden, ob sie von ihm kamen oder von dem Mädchen. Schwächlich und fast ohne etwas zu sehen streckte er die Arme aus, hob das Kind nach vorn, als böte er es den Rufern an.
    Eine weibliche Stimme schälte sich heraus, Worte ließen sich verstehen. »Karen! Hier ist sie! Da drüben! O Karen! Mein Kind!« Durch Laub und Zweige lief jemand auf ihn zu; es klang, als sause ihm aus den Tiefen seines Fiebers die Klinge eines Wintersturms entgegen. Endlich vermochte er die Leute zu erkennen. Eine Frau kam eine Anhöhe heruntergelaufen, und ein Mann folgte ihr aufgeregt. »Karen!« schrie die Frau.
    Das Kind streckte der Frau die Händchen entgegen. »Mami!« schluchzte es. »Mami!«
    Einen Moment später verschwand das Gewicht schlagartig aus Covenants Armen. »Karen!« stöhnte die Frau, als sie das Kind an sich drückte. »Ach, mein Kleines! Wir haben uns so um dich gesorgt. Warum bist du fortgelaufen? Bist du wohlauf?« Sie sah Covenant nicht an, als sie ihn ansprach. »Wo haben Sie sie gefunden? Sie ist heute früh weggelaufen, und wir haben uns schon halb zu Tode geängstigt. Wir zelten ein Stück von hier entfernt.« Sie fügte das hinzu, als seien besondere Erläuterungen erforderlich. »Dave hat am Karfreitag frei, und da sind wir ins Grüne gefahren. Wir hätten nie gedacht, daß sie wegläuft.« Der Mann holte sie jetzt ein, und sie wandte sich wieder an das Kind. »Oh, du böses, unartiges Mädchen! Bist du wohlauf? Laß mal schauen!« Das Mädchen schluchzte vor Schmerz und auch Erleichterung immer weiter, als die Frau es auf Armlänge von sich hielt, um seinen Zustand zu begutachten. Sofort bemerkte die Frau den Schnürriemen, die Schwellung und den Einschnitt. Sie stieß einen unterdrückten Aufschrei aus und richtete ihren Blick erstmals auf Covenant. »Was ist passiert?« erkundigte sie sich. »Was haben Sie mit ihr gemacht?« Plötzlich verstummte sie. Ein Ausdruck von Entsetzen verzerrte ihr Gesicht. Sie wich zurück zu dem soeben eingetroffenen Mann und zeterte auf ihn ein. »Dave! Das ist dieser Aussätzige! Dieser Covenant!«
    »Was?« keuchte der Mann. Man hörte regelrecht, wie selbstgerechte Entrüstung in ihm hochschwappte. »Du Lump!« schnauzte er feindselig und kam auf Covenant zu.
    Covenant erwartete, der Mann werde ihn schlagen; ihm war, als könne er den Hieb wie aus großer Ferne heranrauschen hören. Während er versuchte, ihm entgegenzusehen, kam er aus dem Gleichgewicht, taumelte einen Schritt rückwärts und plumpste schwerfällig auf den Hintern. Rote Pein flutete sein Blickfeld. Als seine Sicht sich wieder klärte, empfand er Überraschung, weil er keine Tritte erhielt. Aber der Mann stand ein paar Meter entfernt, die Fäuste geballt, und versuchte, nicht zu zeigen, daß er sich vorm Näherkommen fürchtete. Covenant gab sich Mühe zu sprechen, um zu erklären, daß das Mädchen unverändert Hilfe benötigte. Doch ein ausgedehnter Moment der Benommenheit verstrich, bevor er wieder dazu in der Lage war, Wörter über seine Lippen zu quetschen. »Schlangenbiß«, sagte er dann in einem Ton absoluter Gleichgültigkeit, der in krassem Gegensatz zu seinem Aussehen stand. »Grubenotter. Besorgen Sie ärztliche Hilfe.«
    Diese Anstrengung erschöpfte seine Kräfte; mehr brachte er nicht hervor. Er verfiel in Schweigen, saß still da, als warte er darauf,

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