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Die letzte Walstatt - Covenant 03

Die letzte Walstatt - Covenant 03

Titel: Die letzte Walstatt - Covenant 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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jedoch nicht einmal sicher, ob er irgendeinen Laut hervorbrachte. Inmitten des Fiebers, das seine Gedanken umwölkte, kam er schließlich zu der Auffassung, daß das Leben schlecht beschaffen sei; Bürden gelangten auf die Schultern der falschen Leute. Aus irgendeinem obskuren Grund glaubte er, daß er an Bannors Stelle eine andere Antwort auf Koriks ›Verderbtheit‹ gefunden hätte. Dagegen wäre Bannor den körperlichen Anforderungen der Aufgabe, das Kind zu retten, vielfach gewachsen gewesen.
    Da fiel ihm auf, daß Mhoram ihm in Verbindung mit Koriks Auftrag keinerlei Neuigkeiten über die Riesen an der Wasserkante berichtet hatte. Diese Erkenntnis löste eine Assoziation aus, und ein Erinnerungsbild des Galgenhöckers durchdrang seinen geistigen Nebel. Ein Riese baumelte am Galgen des Forstwärtels. Was war aus den Riesen geworden? Er stierte wortlos umher; als ob die Bäume, der Bach und das kleine Mädchen auf seinen Armen ihm Erstaunen einflößten, stieß er sich von dem schwarzen Baum ab und begann am Righters Creek entlangzutappen, ungefähr in die Richtung zur Ortschaft. Unterwegs zwang er seine verkrusteten Lippen auseinander, um laut »Hilfe!« zu rufen.
    Das Kind hatte erwähnt, seine Eltern seien »weit weg«, aber er hatte keinerlei Ahnung, welche Vorstellungen es sich von Entfernungen machte. Er wußte nicht, ob seine Eltern irgendwo in der Nähe des Creek waren oder nicht. Er wußte nicht einmal, wie weit er sich von der Haven Farm befand; die gesamte vergangene Nacht glich einer offenen Wunde in seiner Seele. Doch das Ufer des Bachs bot auf dem Weg zum Ort die sicherste Orientierungsmöglichkeit, und ihm fiel nichts Besseres ein, als sich daran zu halten. Das Mädchen litt ständig stärkere Schmerzen. Sein Bein war jedesmal schwärzer, wenn er es ansah, und das Mädchen krampfte sich bei jedem seiner steilen, holprigen Schritte zusammen und wimmerte. In Abständen stöhnte es und rief nach seinen Eltern, und dann krächzte er jedesmal mit so brüchiger Stimme, daß es wie das Meckern eines Ziegenbocks klang, sein »Hilfe!« dazu. Aber seine Stimme hatte weder Autorität noch Kraft; sie verschwand hinter ihm im Schweigen wie eine Fehlgeburt. Und die Anstrengung des Rufens verschlimmerte die Verletzung seines Mundes. Bald spürte er, daß seine Lippen schwollen wie das Bein des Mädchens, sich strafften und dunkel verfärbten, von Schmerz strotzten. Er drückte das Mädchen fester an sich und röchelte mit grimmiger, trostloser Halsstarrigkeit: »Hilfe! Helft mir!«
    Allmählich brachte der Sonnenschein ihn ins Schwitzen. Der Schweiß brannte auf seiner Stirn, bis es ihm vor den Augen zu flimmern anfing. Aber die Kälte in seinen Knochen blieb davon unberührt. Er schlotterte immer noch stärker. Schwindelanfälle störten sein Gleichgewicht, und er torkelte durch den Wald, als wehe ihn ein böiger Wind dahin. Wenn er auf einen spitzen Stein oder Zweig trat, bohrte er sich nachdrücklich genug in seine nackten Fußsohlen, um ihm Schmerzen zu bereiten. Mehrmals gaben seine Gelenke unvermittelt nach, und er sackte auf die Knie. Aber jedesmal riß die dunkle Wunde, die er trug, ihn wieder hoch, trieb ihn weiter, während seine verquollenen Lippen »Helft mir!« nuschelten.
    Die Schwellung seines Mundes schien sich über sein Gesicht auszubreiten wie ein Tumor. Bei jedem Mal, wenn ihm der Untergrund einen Stoß versetzte, schienen sich von dort aus glutheiße Speere in seinen Schädel zu rammen. Mit der Zeit merkte er, daß selbst sein Herz ins Flattern geriet, zwischen jedem Schlag zitterte, während es sich abmühte, um die Strapazen durchzustehen. Der geistige Dunst seines Fiebers verdichtete sich dermaßen, daß er zeitweilig, in Momenten seltsamer Anwandlungen, schon befürchtete, er habe das Augenlicht verloren. Schlangengift mußte durch die offene Wunde in seinem Mund ihm ins Blut gelangt sein. In der Verwaschenheit seines Blickfelds schrak er vorm Glitzern zurück, womit der Bach den Sonnenschein widerspiegelte; doch wenn der Creek durch schattiges Gelände floß, sah er so kühl und heilsam aus, daß er sich kaum noch daran hindern konnte, hineinzuwanken und sein Gesicht ins schmerzstillende Naß zu tauchen.
    Aber die ganze Zeit hindurch war er dazu außerstande, vom geraden Weg abzuweichen, den ihm der Verlauf des Ufers vorschrieb. Sollte es ihm nicht gelingen, für das Mädchen Hilfe zu finden, dann war alles, was er bis jetzt für es getan hatte, umsonst gewesen, verlor es seinen Sinn. Er

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