Die letzte Walstatt - Covenant 03
zu jung für mich, schöne Lena.«
Covenant wand sich innerlich – für beide. Habt Erbarmen mit mir! stöhnte er stumm. Habt Erbarmen! Er wollte den Marsch fortsetzen, stolperte aber gleich darauf über irgendeine Unebenheit unterm Schnee der Landstraße. Lena und Schaumfolger griffen von beiden Seiten zu und bewahrten ihn vor einem Sturz. Er blickte zwischen ihnen hin und her. »Schatzbeeren. Ich brauche Aliantha .«
Schaumfolger nickte und entfernte sich zielstrebig, als ob seine Riesen-Instinkte ihm genau verrieten, wo er die nächsten Schatzbeeren finden konnte. Lena jedoch bewahrte ihren Griff um Covenants Arm. Sie hatte die Kapuze ihres Mantels nicht über den Kopf gezogen, und ihr weißes Haar hing an ihr wie wäßriger Schnee. Sie schaute Covenant ins Gesicht, als habe sie nach seinem Anblick seit jeher geschmachtet.
Er ertrug ihre Musterung, so lange es ihm möglich war, dann löste er seinen Arm behutsam aus ihren Fingern. »Wenn ich diese Geschichte überleben will«, meinte er, »muß ich lernen, allein meinen Mann zu stehen.«
»Warum?« fragte sie. »Alle wollen dir bereitwillig helfen – und niemand ist bereitwilliger als ich. Du hast in deinem Alleinsein bereits genug gelitten.«
Weil ich alles bin, was ich habe , antwortete er, ohne es auszusprechen. Es entsetzte ihn, wie sehr sie seiner bedurfte. Als er nichts äußerte, senkte sie ihren Blick für einen Moment vom Fieber in seinen Augen, und als sie wieder aufschaute, leuchtete in ihnen die Überzeugung von einem guten Einfall. »Ruf die Ranyhyn!«
Die Ranyhyn?
»Sie werden zu dir kommen. Auf dein Gebot kommen sie zu mir. Kaum vierzig Tage ist's her, seit mich zuletzt ein Ranyhyn aufgesucht hat. Sie erscheinen jedes Jahr« – ihre Stimme stockte, und sie schaute ringsum über den Schnee aus, eine Erinnerung an Furcht in ihrer Miene – »beim letzten Vollmond der Frühlingsmitte.« Ihre Stimme sank herab, bis Covenant sie kaum noch hören konnte. »In diesem Jahr wollte des Winters Kälte nicht aus meinem Herzen weichen. Das Land vergaß den Frühling ... vergaß ihn ... der Sonnenschein ließ uns im Stich. Ich habe befürchtet ... befürchtet, daß nie wieder ein Ranyhyn käme ... daß all meine Träume töricht seien. Doch der Hengst kam. In seinem Fell waren Schnee und Schweiß gefroren, Eiszapfen hingen ihm vom Maul. Sein Atem dampfte, als er mich hieß, auf seinen Rücken zu steigen. Aber ich dankte ihm nur aus tiefstem Herzen und sandte ihn heim. Er brachte Gedanken an dich, die von solcher Art waren, daß ich mich nicht dazu bewogen fühlte, ihn zu reiten.« Ihr Blick war wieder von seinem Gesicht abgeschweift, und nun verstummte sie, als habe sie vergessen, warum oder wovon sie redete. Doch als sie den Kopf hob, sah Covenant ihr altes Gesicht voller Tränen. »O mein Geliebter«, sagte sie leise, »du bist geschwächt und leidest. Ruf die Ranyhyn und reite, wie du's verdienst.«
»Nein, Lena.« Er konnte die Art von Hilfe, welche ihm die Ranyhyn bieten würden, nicht annehmen. Er hob eine Hand und wischte ihr mit linkischen Bewegungen die Tränen fort. Seine Finger spürten nichts. »Ich habe einen Handel mit ihnen abgeschlossen. Ich habe nie etwas anderes gemacht als schlechten Handel.«
»Schlecht?« wiederholte sie, als sei sie verblüfft. »Du bist Thomas Covenant der Zweifler. Wie könnte irgendeine deiner Taten schlecht sein?«
Weil ich Verbrechen begangen habe. Aber er vermochte auch das nicht laut auszusprechen. Statt dessen reagierte er, als habe sie den Prüfstein seines Grimms berührt. »Hör zu, ich weiß nicht, für wen oder was du mich heute hältst ... vielleicht denkst du immer noch, ich sei Berek Halbhand. Ich bin aber nicht er – ich bin überhaupt kein Held. Ich bin nichts als ein heruntergekommener Lepraleidender, und ich gehe jetzt daran, diese Sache zu erledigen, weil es mir zum Halse heraushängt, ständig bloß herumgeschubst zu werden. Ich werde mit oder ohne deine Begleitung mit diesem Übelstand Schluß machen, und daran kann mich kein wie auch geartetes Gesocks hindern, das mir in die Quere gerät. Ich werd's auf meine Weise tun. Wenn du nicht laufen willst, dann kehr um, geh nach Haus!« Bevor sie eine Chance zu einer Entgegnung erhielt, wandte er sich um, schon beschämt, und da sah er neben sich kummervoll Schaumfolger stehen. »Und noch was«, fügte er hinzu, fast ohne Atem zu holen. »Ich habe jetzt auch endgültig deine verflixte Weinerlichkeit satt. Entweder erzählst du mir die Wahrheit
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