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Die letzte Walstatt - Covenant 03

Die letzte Walstatt - Covenant 03

Titel: Die letzte Walstatt - Covenant 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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über das, was passiert ist, oder du hörst damit auf, den Rüssel hängen zu lassen.« Er unterstrich den letzten Halbsatz, indem er dem Riesen die Schatzbeeren aus den Händen grapschte. »Hölle und Verdammnis! Ich habe jetzt wirklich von dieser ganzen Angelegenheit die Nase gestrichen voll.« Er starrte hinauf ins Gesicht des Riesen und stopfte sich Aliantha in den Mund, kaute sie mit einem Gebaren streitbarer Hilflosigkeit.
    »Ach, mein Freund«, seufzte Schaumfolger gedämpft, »dieser Weg, den du dir vorgenommen hast, ist ein Wasserfall. Ich weiß es aus meinem Innern. Du wirst im Handumdrehen an den Abgrund gelangen und dich in Tiefen schleudern lassen müssen, aus denen es keine Rettung gibt.«
    Erneut berührte Lenas Hand Covenants Arm, aber er schüttelte sie ab. Er konnte sie nicht ansehen. »Du hast mir nicht die Wahrheit gesagt«, meinte er, während er Schaumfolger noch ins Gesicht stierte. Dann drehte er sich um und stapfte durch den Schnee davon. In seiner Wut konnte er es sich nicht verzeihen, daß er dazu unfähig war, zwischen Haß und Gram zu unterscheiden.
    Schatzbeeren, die ihm sowohl Schaumfolger als auch Lena suchten, hielten ihn für den längsten Teil des Nachmittags auf den Beinen. Aber das Tempo seiner Schritte blieb mäßig und wechselhaft. Schließlich versagten seine Kräfte, als Schaumfolger ihn von der Landstraße und ostwärts ins Hügelland jenseits der Talmündung führte. Inzwischen war er zu erschöpft, um sich darüber Gedanken zu machen, daß der Schneefall endete. Er schlurfte einfach in den Windschatten einer Anhöhe und streckte sich aus, um zu schlafen. Später, in Momenten der Halbwachheit, merkte er, daß der Riese ihn trug, doch er war zu müde, um sich daran zu stören.
    Kurz nach der Morgendämmerung erwachte er, im Gesicht eine angenehme Wahrnehmung von Wärme, in der Nase den Geruch warmen Essens. Als er die Augen aufschlug, sah er in der Nähe Schaumfolger über einem Topf voller Glutsteine kauern und eine Mahlzeit zubereiten. Sie lagerten in einem schmalen Hohlweg. Der bleigraue Himmel lastete auf ihnen wie ein Sargdeckel, aber die Luft war frei von Schnee. Neben ihm lag Lena in tiefem Erschöpfungsschlaf.
    »Sie ist nicht länger jung«, sagte Schaumfolger leise. »Und sie ist fast bis in die Morgenfrühe gelaufen. Laß sie schlafen!« Mit einer knappen Geste wies er rundum durch den Hohlweg. »Hier wird man uns schwerlich leicht entdecken können. Wir sollten hier bleiben, bis es Abend wird. Es ist günstiger, wir ziehen bei Nacht weiter.« Er lächelte matt. »Ausgiebige Rast kann uns nicht schaden.«
    »Ich will nicht rasten«, nörgelte Covenant, obwohl er sich infolge seiner anhaltenden Überanstrengung abgestumpft fühlte. »Ich will vorwärts.«
    »Gönn dir Ruhe!« entgegnete Schaumfolger gebieterisch. »Du wirst schneller vorankommen, wenn dein Zustand sich bessert.«
    Widerwillig fügte sich Covenant. Es fehlte ihm an Energie zum Widerstand. Während er auf das Mahl wartete, begutachtete er sich selbst. Innerlich fühlte er sich gefestigter; einiges von seiner Selbstbeherrschung war zurückgekehrt. Die Schwellung seiner Lippe war weiter zurückgegangen, und seine Stirn wirkte nicht mehr fiebrig. Die Infektion in seinen geschundenen Füßen schien sich nicht weiter auszudehnen. Aber seine Hände und Füße waren so taub, als ob der Frost ihm die Glieder nach und nach abgefressen hätte. Über den Knöcheln seiner Handgelenke und in den Wölbungen seiner Fußsohlen bestand noch eine minimale Empfindsamkeit, aber die Taubheit hatte sich im wesentlichsten in seinen Knochen verankert. Zuerst versuchte er, sich einzureden, die Gefühllosigkeit habe tatsächlich die Kälte zur Ursache, aber er wußte es selbstverständlich besser. Sein Augenlicht zeigte ihm deutlich, daß es nicht das Eis war, was seine Glieder gefühllos machte.
    Seine Lepra war in Ausbreitung begriffen. Unter Fouls Vorherrschaft – unterm bösen, grauen Winter – besaß das Land keine Kraft, um ihm Gesundheit zu schenken.
    Traumgesundheit! Stets hatte er gewußt, daß es sich um eine Lüge handelte, weil Leprose unheilbar war, denn tote Nerven regenerierten nicht; daß die zuvor erlebte Lebendigkeit seiner Finger und Zehen ein unwiderleglicher Beweis dafür war, daß er es beim Land mit einem Traum zu tun hatte, einem Wahngebilde. Doch das Fehlen dieser Gesundheit brachte ihn nun aus dem Gleichgewicht, verdroß die geheime, lebensgierige Aufsässigkeit der Gegebenheiten seines Fleisches.

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