Die letzte Zeugin
das Motiv aus der Entfernung nicht erkennen, aber es leuchtete orange vor seiner schwarzen Kleidung.
Direkt unter seinem Platz bewegten sich einige Frauen verführerisch, schwangen die Hüften in einer eindeutigen Einladung.
Langsam gewöhnte Elizabeth sich an den Lärm. Sie war jetzt wieder ruhig. Die Musik gefiel ihr – der harte, wiederkehrende Beat; das Dröhnen des Schlagzeugs; das raue metallische Kreischen der Gitarre. Und es gefiel ihr, wie unterschiedlich sich die Tänzer dazu bewegten. Manche reckten die Arme in die Luft oder winkelten sie an wie Boxer, die Hände zu Fäusten geballt, manche blieben auf der Stelle stehen, andere hüpften herum.
»Wow. Einfach nur wow.« Julie stellte Martinigläser mit einer rosafarbenen Flüssigkeit auf den Tisch, bevor sie sich setzte. »Fast hätte ich sie verschüttet. Das wäre saublöd gewesen. Jedes Glas kostet acht Dollar.«
»Alkoholische Getränke haben die größte Gewinnspanne in Clubs und Bars.«
»Ja, das denke ich mir. Aber es schmeckt gut. Ich habe einen kleinen Schluck von meinem genommen, und ich kann sagen, das haut rein!« Lachend beugte sie sich vor. »Wir sollten damit auskommen, bis wir ein paar Typen finden, die uns einen ausgeben.«
»Warum sollten sie das tun?«
»Wir sind heiß, wir sind zu haben. Trink einen Schluck, Liz, damit wir auf die Tanzfläche gehen können, um uns zu zeigen.«
Gehorsam trank Elizabeth einen Schluck. »Es schmeckt gut.« Prüfend trank sie noch einen Schluck. »Und es sieht hübsch aus.«
»Komm, ich will endlich loslegen. Hey, ich liebe diesen Song. Lass uns tanzen!«
Erneut ergriff Julie Elizabeth’ Hand.
In der Menge schloss Elizabeth die Augen. Nur die Musik, dachte sie. Nur die Musik.
»Hey, gute Bewegungen.«
Vorsichtig öffnete Elizabeth die Augen wieder und schaute Julie fragend an. »Was?«
»Ich hatte Angst, du wärst ungeschickt. Aber du bewegst dich gut. Du kannst tanzen«, erklärte Julie.
»Oh. Das ist primitive Musik, die darauf ausgelegt ist zu stimulieren. Man muss einfach nur Beine und Hüften koordinieren und sich anpassen. Ich habe andere häufig beim Tanzen beobachtet.«
»Wie auch immer, Liz.«
Elizabeth gefiel es, die Hüften zu bewegen. Wie die hohen Absätze gab es ihr ein Gefühl von Macht, und das Kleid, das über ihre Haut glitt, fügte ein sinnliches Element hinzu. Die Lichter erzeugten eine surreale Stimmung, und die Musik selbst schien alles zu schlucken.
Nach und nach legte sich ihr Unbehagen, in der Menge zu sein. Als Julie sie mit den Hüften anstieß, lachte sie und meinte es auch so.
Sie tanzten immer weiter. Schließlich setzten sie sich wieder an ihren winzigen Tisch und tranken Cosmos, und als eine Kellnerin vorbeikam, bestellte Elizabeth sorglos noch eine Runde.
»Tanzen macht durstig«, sagte sie zu Julie.
»Ich habe schon einen Kleinen sitzen. Und der Typ da drüben lässt uns nicht aus den Augen. Nein, guck nicht hin!«
»Wie soll ich ihn denn sehen, wenn ich nicht hingucke?«
»Glaub mir einfach, er ist total süß. Ich erwidere seinen Blick jetzt gleich und werfe meine Haare zurück, und dann kannst du dich, wie zufällig, auf deinem Stuhl umdrehen. Es ist der mit den blonden, ein bisschen lockigen Haaren. Er trägt ein enges weißes T-Shirt, ein schwarzes Jackett und Jeans.«
»Oh ja, den habe ich eben schon drüben an der Bar gesehen. Er hat mit einer Frau geredet. Sie hatte lange blonde Haare und trug ein hellrosa Kleid mit einem tiefen Ausschnitt. Er hat einen kleinen goldenen Ring im linken Ohrläppchen und trägt einen goldenen Ring am Mittelfinger der rechten Hand.«
»Du liebe Güte, hast du etwa Augen im Hinterkopf, wie meine Mom immer von sich behauptet? Woher weißt du das alles, wenn du nicht hinguckst?«
»Ich habe ihn drüben an der Bar gesehen«, wiederholte Elizabeth. »Er ist mir aufgefallen, weil die blonde Frau sehr wütend auf ihn zu sein schien. Und ich kann mich daran erinnern, weil ich ein eidetisches Gedächtnis habe.«
»Ist das ansteckend?«
»Nein, es ist ja keine Krankheit. Oh.« Elizabeth errötete und ließ die Schultern sinken. »Du hast nur einen Witz gemacht. Für gewöhnlich bezeichnet man es als fotografisches Gedächtnis, aber das ist nicht ganz richtig, weil es mehr als nur visuell ist.«
»Na ja, was auch immer. Halt dich bereit.«
Aber Elizabeth war mehr an Julies Verhalten interessiert – sie machte ihm schöne Augen, wozu ein leicht geneigter Kopf gehörte, ein verstohlenes Lächeln und ein Blick unter
Weitere Kostenlose Bücher