Die letzte Zeugin
er sie an sich drückte. Sie hoffte, dass er sie am Morgen noch einmal zu ihr sagen würde.
Elizabeth
Und wenn die Himmel einstürzen,
lasst Gerechtigkeit walten.
Lord Mansfield
23
Roland Babbett stieg an einem Nachmittag im Frühling, der so heiß wie ein Augusttag war, im Inn of the Ozarks ab. In seinem Zimmer mit einer bezaubernden Aussicht auf die Hügel baute er seinen Laptop auf dem glänzenden alten Schreibtisch auf. Das Hotel gefiel ihm – kostenloses WLAN , ein Flachbildschirm-Fernseher, sorgfältig ausgewählte Möbel und eine großzügige Dusche.
Meistens arbeitete er von schäbigen Motels aus, mit versifften Duschen und schmutzigen Seifenresten, oder von seinem Auto aus, wo er in ein Einmachglas pinkelte, das er ab und zu entleerte.
So war das Leben eines Privatdetektivs.
Ihm gefiel es, trotz schäbiger Motels und Einmachgläser. Zwei Jahre als Polizist hatten ihn gelehrt, dass er mit Regeln und Vorschriften nicht allzu viel anfangen konnte. Aber er war ein ziemlich guter Polizist gewesen, und deshalb war er zu einem Job bei Stuben-Pryce Investigations gekommen. In den fast zehn Jahren, in denen er dort seither arbeitete, hatte er sich als zuverlässig, erfinderisch und zäh erwiesen. Das waren Eigenschaften, die in der Firma geschätzt wurden.
Ihm gefielen auch seine Prämien, und er hoffte, für diesen Job wieder eine zu bekommen.
Er packte aus – Cargoshorts und lange Hosen, T-Shirts, Sweatshirts und Wanderstiefel. Er hatte die Garderobe passend zu seiner Tarnung als freiberuflicher Fotograf gewählt, weil er so am besten überall herumwandern, mit den Einheimischen reden und Fotos machen konnte.
Den Kunden mochte er nicht. Roland betrachtete Lincoln Blake als Arschloch erster Güte, und dessen Sprössling hielt er für einen Eiterpickel auf dem Arsch der Gesellschaft.
Aber Arbeit war Arbeit, und Blake bezahlte hervorragend. Wenn der Boss sagte, mach dich auf den Weg, dann marschierte Roland eben los. Vor allem seit er ein Kind auf einer Privatschule hatte, ein weiteres, das sich im Herbst dort einschreiben würde, und – Überraschung – ein drittes, das unterwegs war.
Er liebte seine Familie, und das Gehalt von Stuben-Pryce, einschließlich Prämien, sicherte ihnen ein gutes Leben. Und sie konnten die hohe Hypothek auf ihr neues Haus mit vier Schlafzimmern in West Little Rock abbezahlen.
Arschloch oder nicht, der Kunde war König. Wenn Blake alles wissen wollte, was es über Abigail Lowery zu wissen gab – auch den Dreck –, dann würde Roland es für ihn herausfinden. Das Gleiche galt für Brooks Gleason, Bickfords Polizeichef und, laut Aussage des Kunden, Lowerys Liebhaber.
Der Kunde behauptete, die beiden hätten zusammen mit den Conroys – den Besitzern des Hotels mit den schönen Zimmern – seinen Sohn hereingelegt, um Geld zu erpressen. Blake leugnete leidenschaftlich und laut, dass sein Sohn den gewaltigen Schaden in der besten Suite des Hotels angerichtet hatte, und er hatte auch Russell Conroy nicht angegriffen, noch war er jemals mit gezogenem Messer auf den Polizeichef losgegangen.
Roland ließ sich von ihm nicht täuschen. Er war insgeheim davon überzeugt, dass der Arschpickel all das und noch mehr auf dem Kerbholz hatte. Aber er würde seinen Job tun und sein Geld verdienen. Und seine Rechnungen bezahlen.
Er überprüfte seine Kamera-Ausrüstung, sein Aufnahmegerät, sein Notizbuch und seinen Dietrich. Dann rief er seine Frau von seinem Handy aus an, um ihr mitzuteilen, er sei gut angekommen.
Er sagte zu ihr, er wünschte, sie wäre dabei, und er meinte es auch so. Im Zimmer stand ein breites Himmelbett. Seitdem sie wieder schwanger war, hatte Jen ständig Lust.
Als er für seinen ersten Spaziergang durch die Stadt alles zusammenpackte, gelobte er sich, nach der Geburt des Babys mit Jen noch einmal hierher zurückzukommen, falls ihre Eltern die drei Kinder für ein langes Wochenende übernahmen.
Er schulterte die Kameratasche und hängte sich die Nikon um den Hals. Das Band war mit Peace-Zeichen dekoriert. Er trug Cargoshorts, Rockport-Schuhe und ein R.E.M.-T- Shirt. Prüfend blickte er in den Spiegel und setzte seine Sonnenbrille auf.
Er hatte sich heute früh absichtlich nicht rasiert und fand, dass die leichten Stoppeln die Tarnung perfekt machten. Er liebte es, sich zu verkleiden, und wenn es möglich war, blieb er ziemlich dicht an seiner eigenen Person, so dass die Rolle natürlich wirkte.
Er betrachtete sich selbst als umgänglichen Menschen. Er
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