Die letzte Zeugin
konnte sich mit jedem über alles Mögliche unterhalten, was für seinen Job so wichtig war wie sein Computer. Er sah nicht schlecht aus, fand er, als er mit einer Greenpeace-Kappe sein Outfit komplettierte.
Sie diente allerdings auch dazu, seine schütteren Haare zu verdecken. Sein Bruder, der nur zwei Jahre älter war als Roland mit seinen vierunddreißig, hatte schon eine faustgroße kahle Stelle oben auf dem Kopf.
Flüchtig dachte er daran, seine Tabletten dagegen zu schlucken – warum sollte man schließlich nicht vorbeugen? –, als er das Zimmer verließ.
Er hatte auf einem Zimmer in der obersten Etage bestanden, obwohl ihm der Mann an der Rezeption wegen des Baulärms ein anderes Zimmer angeboten hatte. Aber nur so konnte er ungehindert einen Blick in die Suite werfen, die der Sohn des Kunden nicht demoliert hatte, wenn man Arschlöchern erster Güte Glauben schenken wollte.
Er schlenderte den Flur entlang, merkte sich die fest verschlossene Tür, an der ein Schild hing, auf dem sich das Hotel bei den Gästen für mögliche Unannehmlichkeiten durch unerwartete Reparaturarbeiten entschuldigte. Der Lärm drang nur gedämpft durch die Tür.
Er würde später einen Blick hineinwerfen, wenn niemand mehr hier oben war.
Jetzt lief er die Treppe hinunter, hauptsächlich um etwas für die Figur zu tun, und trat nach draußen in die Hitze.
Hübsche kleine Stadt, dachte er. Sie würde Jen gefallen – die Geschäfte, die Kunst. Er würde ihr und den Kindern ein paar Mitbringsel besorgen, bevor er wieder nach Hause fuhr.
Viele Touristen, stellte er fest. Ein Mann mit einer Kamera fiel überhaupt nicht auf. Er machte ein paar Aufnahmen vom Hotel und zoomte die Fenster der Suite, deren Vorhänge dicht zugezogen waren, ganz nahe heran.
Er hatte ein gutes Auge für Bilder. Wenn er sich als Privatdetektiv in den Ruhestand begab, würde er versuchen, Fotografie zu seinem Hobby zu machen. Er wanderte durch den Ort und fotografierte. Ein interessantes Fenster, eine Nahaufnahme von Blumen in einem halbierten Whiskeyfass. Er wirkte wie jemand, der ziellos durch die Stadt schlenderte.
Aber er hatte die Adressen alle im Kopf. Zu Lowerys Haus musste er wohl mit dem Auto fahren, aber er konnte an der Wohnung des Polizeichefs vorbeilaufen und an dem Haus, in dem seine Eltern wohnten. Nur damit er ein Gefühl für den Ort, für die Leute bekam, dachte Roland und blieb eine Zeitlang stehen, um die Fenster von Brooks Gleasons Wohnung über einem gut besuchten Diner zu studieren.
Die Jalousien waren hochgezogen, stellte er fest. Hier gab es nichts zu sehen. Er ging nach hinten, fotografierte ein paar Blumentöpfe und studierte den Hintereingang.
Anständige Schlösser, aber nicht besonders schwierig zu knacken, falls es nötig sein sollte, dass er sich drinnen ein bisschen umsah. Aber wenn möglich würde er das natürlich vermeiden.
Mit dem Stadtplan in der Hand schlenderte er den Bürgersteig entlang – und blieb bezaubert und verblüfft vor dem Haus mit den Wandmalereien stehen. Er überprüfte die Adresse und stellte fest, dass es sich tatsächlich um das Wohnhaus der Eltern des Polizeichefs handelte. Er hatte bereits Informationen über sie eingeholt. Die Mutter war Künstlerin, der Vater Lehrer an der Highschool.
Er ging davon aus, dass die Frau mit dem bunten Kopftuch über den Haaren, die in einem farbbespritzten Overall auf einer Leiter stand, wohl die Mutter von Brooks Gleason war. Angeleint am Fuß der Leiter hatte sich ein Welpe im Schatten zusammengerollt und döste.
Wegen des Jobs, aber auch aus eigenem Interesse machte Roland ein paar Aufnahmen und trat näher. Als er an den Rand des Gartens kam, begann der kleine Hund zu kläffen.
Die Frau blickte nach unten. Sie legte den Kopf schräg. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Entschuldigen Sie, wenn ich Sie störe. Ich bin gerade ein bisschen herumspaziert, und … das ist wundervoll. Haben Sie das alles selber gemalt?«
»Ja. Sind Sie zu Besuch hier?«
»Ich verbringe ein paar Tage in der Stadt. Ich bin Fotograf und möchte eine Show über die Ozarks zusammenstellen.«
»Na, hier wird es Ihnen an Motiven nicht fehlen. Schon gut, Plato, ich komme runter.«
Vorsichtig kletterte sie die Leiter hinunter und ließ den Hund von der Leine. Sofort rannte er zu Roland und schnüffelte an ihm. »Guter Hund.« Er hockte sich hin, um den kleinen Hund zu streicheln. »Ich habe ihn wahrscheinlich geweckt.«
»Er ist ein guter Wachhund, wie Sie sehen können. Sunny
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