Die letzte Zeugin
allem um diese Jahreszeit und den ganzen Sommer hindurch. Hier sind viele Touristen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten, und die Hitze tut ein Übriges dazu. Aber wir haben nicht oft mit Privatdetektiven aus schicken Agenturen zu tun, die in unserem besten Hotel ein bisschen herumschnüffeln.«
»Ich werde wahrscheinlich einen Tritt in den Hintern kassieren.« Roland spuckte Zahnpasta ins Waschbecken. »Und meine Prämie verlieren. Dabei hatte ich gehofft, mit meiner Frau hier ein Wochenende ohne Kinder verbringen zu können, wenn sie das Baby bekommen hat.«
»Wann ist ihr Termin?«
»Am fünfzehnten August.«
»Im Oktober ist es schön in den Ozarks«, erklärte Brooks, als Roland aus dem Badezimmer kam. »Wir würden uns freuen, Sie dann als Gast begrüßen zu können. Boyd, du kannst das Zimmer weiter durchsuchen. Ich nehme Mr Babbett mit.«
»Wollen Sie mir keine Handschellen anlegen?«
Brooks lächelte freundlich. »Hätten Sie das gerne?«
»Nein. Ich bin Ihnen dankbar, wenn Sie es nicht tun.«
»Ich gehe nicht davon aus, dass Sie fliehen wollen. Aber selbst wenn? Wohin sollten Sie gehen?«
Er lief nicht weg. Selbst wenn er gewusst hätte, wohin, hätte es ihm nichts genützt. Seine Tarnung war aufgeflogen, der Job hinüber.
Auf der Wache gab Brooks ihm eine Tasse ganz anständigen Kaffee und ein Telefon und ließ ihn ein paar Minuten allein – am Schreibtisch und nicht in einer Zelle.
Nach dem Telefonat saß Roland grübelnd da.
»Sind Sie fertig?«, fragte Brooks.
»Ja. Fertig.«
»Sollen wir in mein Büro gehen? Jeff?«, sagte Brooks zu seiner Teilzeitkraft. »Wir möchten nicht gestört werden, und stell auch bitte keine Anrufe durch, ja? Nur wenn es sehr wichtig ist.«
»Ja, Sir, Chief.«
»Setzen Sie sich.« Brooks schloss die Bürotür und lehnte sich mit einer Hüfte an seinen Schreibtisch. »Nun, ich will es Ihnen lieber gleich sagen: Sie stecken in ziemlichen Schwierigkeiten, Roland.«
»Ich habe einen Anwalt angerufen.«
»Einen schicken Anwalt aus einer schicken Kanzlei vermutlich. Aber wir haben Sie beim Einbruch erwischt. Eine Kamera hat Sie im Flur und an der Tür aufgenommen, und die anderen zeigen Sie, wie Sie in der Suite herumschnüffeln. Und ich habe Ihre Dietriche.« Mit vorgetäuschtem Mitleid stieß Brooks die Luft aus und schüttelte den Kopf. »Selbst ein schicker Anwalt wird es schwer haben, Sie da herauszuholen, nicht wahr? Möglicherweise kommen Sie für ein paar Monate ins Gefängnis, und es schadet auf jeden Fall Ihrer Lizenz. Und dabei ist ein Baby unterwegs. Das wäre ja schrecklich, wenn Ihre Frau Sie in ihrem Zustand im Gefängnis besuchen müsste.«
»Gefängnis bezweifle ich, aber der Schaden für meine Lizenz … Teufel.« Roland drückte die Finger an die Augen. »Na ja, vielleicht ist es ja nicht so schlimm. Es wäre der erste Fleck auf meiner Weste.«
Brooks hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Vielleicht.«
»Für gewöhnlich bin ich nicht so nachlässig. Ich dachte, es wäre kein Problem, sich mal umzuschauen. Die Kameras habe ich nicht gesehen.«
»Seien Sie nicht zu hart mit sich. Die Kameras sind auch erst dort angebracht worden, nachdem Sie bei Abigail waren.«
»Oh!« Roland blickte Brooks an. »Sie, ihr Hund und ihre Glock haben mich zu Tode erschreckt.«
»Sie haben sie erschreckt. Sie ist eben immer noch ein Stadtmädchen«, log Brooks fröhlich. »Allein da draußen, keine Nachbarn. Hinzu kommt noch ihr Beruf. Sie wissen ja mittlerweile wahrscheinlich, dass sie Sicherheitsanlagen entwirft. Es ist ihr Job, Gebäude zu sichern. Das macht sie ein bisschen nervös.«
»Ja, sonst braucht man im Wald wahrscheinlich auch keine Sicherheitskameras.«
»Oh, sie experimentiert ständig damit und entwirft Szenarien. Und zufällig sind Sie mitten in so ein Szenario hineingeraten. Es hat sie so erschüttert, dass sie sich im Haus eingeschlossen hat, bis ich nach Hause gekommen bin. Sie wissen schon, falls Sie statt eines verirrten Fotografen der Axt-Mörder gewesen wären.«
»Sie wirkte nicht besonders erschüttert«, murmelte Roland.
»Nun, Abigail kann sich gut verstellen, und der Hund trägt natürlich zu ihrem Selbstbewusstsein bei. Sie hat mir auf jeden Fall von Ihnen erzählt, und ich habe mich doch ein bisschen gewundert, dass Sie ihr Ihren wahren Namen angegeben haben.«
»Mein Ausweis war in meinem Rucksack. Sie hatte die Pistole. Ich wollte sie nicht durch eine Lüge verärgern, falls sie meinen Rucksack durchsuchte.
Weitere Kostenlose Bücher