Die letzte Zeugin
Abigails Fachgebiet sind.«
»Soll das eine Drohung sein?«
»Ich drohe nicht. Ich gebe Ihnen lediglich die Fakten, wie ich sie sehe. Ich kann Sie gehen lassen. Ihre Reputation bleibt makellos, Sie reichen Ihren Bericht ein und fahren nach Hause zu Ihrer Frau. Einen besseren Deal kann auch Ihr Anwalt nicht herausschlagen.«
»Warum tun Sie das?«
»Aus den Gründen, die ich Ihnen genannt habe, und aus noch einem weiteren Grund. Ich möchte Sie eigentlich nicht einsperren, Roland, das ist auch ein Fakt. Wenn ich einen anderen Eindruck von Ihnen gewonnen hätte, wenn ich glaubte, Sie würden gerne für einen Mann wie Blake arbeiten, dann säßen Sie jetzt schon in einer Zelle. Und ich würde daran arbeiten, Sie auch darin zu behalten.«
»Ich möchte gerne meinen Chef anrufen und ihm den Stand der Dinge erläutern.«
»Nur zu.« Brooks stieß sich vom Schreibtisch ab.
»Ich habe Ihre Mutter kennengelernt.«
Brooks lehnte sich wieder an die Kante. »Ach ja?«
»Ich bin bei ihr vorbeigelaufen – ich wollte ein Gefühl für den Ort bekommen. Dieses Haus ist wundervoll.«
»Wir sind auch sehr stolz darauf. Na los, rufen Sie an«, sagte Brooks und ging hinaus.
26
Abigail legte alles andere beiseite und konzentrierte sich völlig auf die Entwicklung des Virus. Sie hatte zahlreiche Versuche unternommen, ihn mit dem Wurm zu koppeln, den sie bereits entworfen hatte, aber die Resultate waren nicht befriedigend.
Mit dem Wurm konnte sie beträchtlichen Schaden anrichten, aber wenn der Wurm Öffnungen in die Datenbanken der Volkovs bohrte, durch die sich der Virus dann ausbreiten konnte, würde sie sie vernichten.
Um das zu erreichen, musste er sehr schnell, sehr vollständig sein und vor allem keinen Alarm auslösen.
Sie hatte dieses Projekt immer als eine Art Hobby betrachtete, das sich hoffentlich eines Tages auszahlen würde. Jetzt war es eine Mission.
Wenn sie Zeit hätte, ihre Ausrüstung zu vergrößern, oder sich den Luxus eines angestellten Technikers leisten könnte … Aber das ging nicht, darüber brauchte sie gar nicht zu spekulieren. Sie musste es alleine schaffen.
Im Laufe der Zeit hatte sie sowieso ihre eigene Programmiersprache entwickelt – so dass sich niemand in ihre Dateien hacken konnte –, und selbst wenn sie jemanden engagieren könnte, müsste sie ihm erst Sprache und Techniken beibringen. Da war es schneller und effizienter, es selbst zu machen.
Sie ließ den nächsten Test durchlaufen, beobachtete, wie ihre Codes vorbeiflogen, und dachte: Nein, nein, nein. Es blieb zu schwerfällig, brauchte zu lange.
Sie lehnte sich zurück. Die Haare hatte sie im Nacken zusammengedreht und mit einem Bleistift hochgesteckt. Während sie den Bildschirm studierte, trank sie geeisten grünen Tee, damit sie klarer denken konnte. Aber weder der Tee noch die beiden Yoga-Pausen, zu denen sie sich gezwungen hatte, schienen zu helfen.
Als ihr Alarm piepste und Bert die Ohren spitzte, blickte sie auf ihren Überwachungsmonitor. Sie hatte nicht so früh mit Brooks gerechnet, dachte sie, als sie seinen Streifenwagen sah. Sie blickte auf die Uhr.
Es war bereits mitten am Nachmittag.
Sie hatte sechs Stunden ohne nennenswerten Fortschritt gearbeitet.
Vielleicht war es ja doch zu schwierig für sie.
Sie stand auf, um ihm die Tür aufzuschließen, aber dann fiel ihr ein, dass sie ihm ja die Schlüssel und den Sicherheitscode gegeben hatte. Es war ihr nicht ganz wohl dabei, musste sie zugeben, aber im Moment war es natürlich von Vorteil, dass sie ihre Arbeit nicht unterbrechen musste. Trotzdem, es war jetzt jemand in ihrem Haus, in ihrem Raum. Wie sollte sie sich auf so etwas Komplexes und Heikles konzentrieren, wenn sie nicht allein war?
Das machte ihre Fantasie von einem hochmodernen Computerlabor mit einem Team hochqualifizierter Techniker zunichte. Aber das war ja sowieso nur eine Fantasie gewesen, weil sie immer alleine gearbeitet hatte, bis …
»Hey.« Brooks kam herein und stellte eine Reisetasche auf die Küchentheke. »Wie läuft es?«
»Nicht so gut, wie ich es gerne hätte. Ich muss noch eine andere Sequenz ausprobieren und es noch einmal durchtesten.«
»Wie lange sitzt du schon daran?«
»Das spielt keine Rolle. Es ist nicht fertig.«
»Okay. Ich räume nur schnell die Sachen weg, dann gehe ich dir aus den Füßen. Ich habe ein paar Dinge von mir mitgebracht, die kann ich ja oben einräumen. Wenn du dann immer noch nicht fertig bist, finde ich schon etwas zu tun.«
»Mmm«, sagte sie nur.
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