Die letzte Zeugin
kreidebleich, mit schwarzen Flecken unter den Augen, wo Wimperntusche und Eyeliner verlaufen waren. Wie schwarze Tränen rannen sie ihr über die Wangen.
Scham stieg in ihr auf, und sie musste sich schon wieder vor die Schüssel knien, um sich zu übergeben.
Der gesamte Raum drehte sich um sie. Erschöpft rollte sie sich auf den Fliesen zusammen und weinte. Sie wollte nicht, dass jemand sie so sah.
Sie wollte nach Hause.
Sie wollte sterben.
Zitternd lag sie da, die Wange an die kühlen Fliesen gedrückt, bis sie schließlich das Gefühl hatte, sie könne es wagen, sich aufzusetzen. Im Badezimmer stank es nach Erbrochenem und Schweiß, aber sie konnte den Raum erst verlassen, wenn sie sich selbst gesäubert hatte.
So gut es ging, wusch sie sich das Gesicht mit Wasser und Seife, bis ihre Haut brannte. Ständig musste sie innehalten, weil eine neue Welle der Übelkeit sie überschwemmte.
Mittlerweile war sie nicht nur blass, sondern auch fleckig im Gesicht. Ihre Augen waren glasig und rotgerändert. Als sie jedoch versuchte, sich neu zu schminken, zitterte ihre Hand so sehr, dass sie noch schlimmer aussah als vorher.
Sie musste die Demütigung ertragen. Sie würde sich einfach auf die Terrasse setzen, an die frische Luft, und warten, bis Ilya kam. Dann würde sie ihn bitten, sie nach Hause zu fahren. Sie konnte nur hoffen, dass er sie verstand.
Er würde sie sicher nie mehr sehen wollen. Er würde sie nie mehr küssen.
Ursache und Wirkung, dachte sie. Sie hatte gelogen und gelogen, und das Ergebnis war diese neue Peinlichkeit. Und was noch viel schlimmer war, sie hatte einen Blick darauf erhascht, wie es hätte sein können, und jetzt hatte sie alles verspielt.
Sie ließ den Deckel der Toilette herunter und setzte sich darauf. Sie umklammerte ihre Handtasche und wappnete sich für den nächsten Schritt. Müde schlüpfte sie aus ihren Schuhen. Es spielte ja doch keine Rolle mehr. Ihre Füße taten weh, und Aschenputtels Mitternacht war gekommen.
So würdevoll, wie sie konnte, ging sie durch die Küche mit ihren schwarzen Armaturen und den strahlend weißen Arbeitsflächen. Am Eingang zum Wohnzimmer jedoch blieb sie stehen. Alex und Julie waren beide nackt und schliefen miteinander auf dem Ledersofa.
Wie erstarrt stand sie einen Augenblick da und betrachtete fasziniert die Tattoos auf Alex’ Rücken und Schultern, die sich im Rhythmus seiner Stöße bewegten. Unter ihm gab Julie gutturale, stöhnende Laute von sich.
Plötzlich schämte Elizabeth sich, weil sie zugeschaut hatte. Rasch wich sie zurück und ging durch die Küchentür auf die Terrasse.
Sie würde einfach im Dunkeln an der frischen Luft sitzen bleiben, bis die beiden fertig waren. Sie war nicht prüde. Schließlich war es nur Sex. Aber sie wünschte sich inständig, sie hätten es hinter einer geschlossenen Schlafzimmertür getan.
Sie hätte gerne noch mehr Wasser für ihre wunde Kehle gehabt. Eine Decke wäre auch schön gewesen – ihr war kalt, und sie fühlte sich leer und sehr, sehr elend.
Schließlich döste sie doch ein, zusammengekauert auf einem Stuhl in einer dunklen Ecke der Terrasse.
Sie wusste nicht, was sie geweckt hatte – Stimmen, Klappern –, auf jeden Fall erwachte sie, steif und fröstelnd, auf dem Stuhl. Mit einem Blick auf ihre Armbanduhr sah sie, dass sie etwa fünfzehn Minuten geschlafen hatte, aber es ging ihr beinahe noch schlechter als vorher.
Sie musste dringend nach Hause. Vorsichtig schlich sie an die Türen, um nachzusehen, ob Alex und Julie fertig waren.
Julie konnte sie gar nicht sehen, nur Alex – der lediglich eine schwarze Boxershorts anhatte – und zwei vollständig bekleidete Männer.
Sie biss sich auf die Lippen und schlich vorsichtig näher. Vielleicht waren sie ja gekommen, um Alex Bescheid zu sagen, dass Ilya sich verspäten würde. Oh, Gott, sie wünschte, er wäre endlich da und könnte sie nach Hause bringen.
Da sie sich daran erinnerte, wie sie aussah, hielt sie sich vorsichtig im Schatten, als sie näher an die Tür herantrat, die Alex offen gelassen hatte.
»Verdammt noch mal, sprich Englisch. Ich bin in Chicago geboren.« Offensichtlich verärgert marschierte Alex zur Bar und schenkte sich ein Glas Wodka ein. »Was willst du eigentlich, Korotkii? Kann das nicht bis morgen warten?«
»Warum soll ich es denn bis morgen aufschieben? Ist das amerikanisch genug für dich?«
Der Mann, der gesprochen hatte, hatte einen kompakten, athletischen Körper. Die kurzen Ärmel seines schwarzen
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