Die letzte Zeugin
Haus wird für dich auch nicht leicht. Es wird kein Zuckerschlecken werden.«
»Ich weiß. Sind Sie auch noch an den Ermittlungen beteiligt?«
»Wir arbeiten zusammen, weil Riley und ich darauf bestanden haben. Es ist zwar in erster Linie Sache der Bundespolizei, aber wir werden ebenfalls vor Gericht auftreten. Wie geht es dir?«
»Gut. Alle kümmern sich um mich. Danke, dass Sie meine Sachen geholt haben.«
»Keine Ursache. Brauchst du sonst noch etwas?«
»Ich hätte gerne meinen Laptop. Ich hätte Sie früher schon darum gebeten, aber ich konnte nicht klar denken.«
»Du wirst niemandem eine E-Mail schicken können, und du darfst auch nicht chatten oder posten.«
»Nein, dazu brauche ich ihn auch nicht. Ich möchte einfach nur studieren und recherchieren. Wenn ich meinen Computer haben könnte, ein paar von meinen Büchern …«
»Ich sehe zu, was ich tun kann.«
Das musste reichen.
Als es Abend wurde, setzten sie sie mit John und Terry in ein Auto. Griffith und Riley fuhren hinterher; weitere Marshals übernahmen die Spitze.
Während sie über die Schnellstraße fuhren, fiel ihr ein, dass sie erst vor vierundzwanzig Stunden ihr neues rotes Kleid und ihre hochhackigen, funkelnden Schuhe angezogen hatte. Und Julie hatte mit glänzenden Augen und aufgeregter Stimme im Taxi neben ihr gesessen. Lebendig.
Alles war völlig anders gewesen.
Und jetzt war wieder alles anders.
Sie fuhren direkt in die Garage eines einfachen zweistöckigen Hauses mit einem breiten, tiefen Garten. Bis auf das Auto war die Garage leer – keine Werkzeuge, keine Kisten, kein Abfall.
Die Tür, die ins Innere des Hauses führte, war verriegelt.
Der Mann, der die Tür öffnete, hatte graue Strähnen in seinen dunkelbraunen Haaren. Er war fast genauso groß wie John, aber kräftiger – er wirkte muskulös in Jeans und Polohemd. Seine Waffe hing in einem Halfter an seiner Seite.
Er trat einen Schritt zurück, damit sie die Küche betreten konnten. Sie war größer als die, die sie gerade verlassen hatten. Die Geräte waren moderner, der Boden war braungelb gefliest.
»Liz, das ist Deputy Marshal Cosgrove.«
»Bill.« Er streckte die Hand aus und lächelte Elizabeth ermutigend an. »Willkommen zu Hause. Deputy Peski – das ist Lynda – überprüft gerade die Umgebung. Wir passen heute Nacht auf Sie auf.«
»Oh … aber …«
»Wir kommen morgen früh wieder«, sagte John zu ihr. »Aber wir bleiben noch so lange hier, bis du dich eingerichtet hast.«
»Ich gehe mit dir nach oben und zeige dir dein Zimmer«, schlug Terry vor, und bevor Elizabeth einwilligen oder protestieren konnte, hatte Terry schon ihren Koffer ergriffen und ging zur Treppe.
»Sie sieht jünger aus, als ich erwartet habe«, sagte Bill.
»Sie ist erschöpft und immer noch ein bisschen benommen. Aber sie hat eine stabile Konstitution. Sie hat die zwei Stunden mit Pomeroy durchgestanden, ohne die leisesten Anzeichen von Ermüdung zu zeigen. Die Geschworenen werden sie lieben.«
»Ein junges Mädchen, das die Volkovs zur Strecke bringt.« Bill schüttelte den Kopf. »Das muss man sich mal vorstellen.«
Sergei Volkov war in den besten Jahren, ein reicher Mann, der aus ärmlichen Verhältnissen kam. Mit zehn war er ein geschickter Dieb gewesen, der jede Ecke, jeden Schlupfwinkel in diesem elenden Ghetto in Moskau gekannt hatte. Mit dreizehn hatte er den ersten Mann umgebracht, indem er ihn mit einem Kampfmesser im amerikanischen Stil, das er einem Rivalen gestohlen hatte, aufschlitzte. Er hatte dem Rivalen, einem einfachen Jungen von sechzehn, einfach den Arm gebrochen.
Das Messer hatte er immer noch.
Aufgestiegen war er in den Reihen der Moskauer Bratva , und noch vor seinem achtzehnten Geburtstag war er Brigadier gewesen.
Der Ehrgeiz hatte ihn immer höher getrieben, bis er schließlich, zusammen mit seinem Bruder Mikhail, die Bratva in einem gnadenlosen, blutigen Coup übernommen hatte, als die Sowjetunion auseinanderfiel, nach Sergeis Meinung ein Moment voller Gelegenheiten und Veränderungen.
Er heiratete eine Frau mit einem hübschen Gesicht und einer Vorliebe für feinere Dinge. Sie hatte ihm zwei Töchter geschenkt, und es hatte ihn erstaunt, wie tief er sie vom ersten Atemzug an liebte. Er hatte geweint, als er die Neugeborenen zum ersten Mal auf dem Arm gehalten hatte, überwältigt von Freude, Staunen und Stolz.
Aber als er schließlich seinen Sohn auf den Armen hielt, hatte er keine Träne vergossen. Diese Freude, dieses Staunen und dieser
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