Die letzte Zeugin
ein sehr solider Mann«, erwiderte Elizabeth. »Physisch attraktiv. Du bist freundlich und weltoffen, hast vielfältige Interessen. Und die Tatsache, dass du eine Autoritätsperson bist und eine Waffe trägst, kann für eine Frau auf einer unbewussten Ebene äußerst attraktiv sein.«
Er blickte sie über den Rand seines Kaffeebechers mit lachenden Augen an. »Du bist unvergleichlich, Liz.«
»Ich wünschte, ich wäre es.«
»Jetzt hör auf. Du bist ein tolles Mädchen, beängstigend klug, tapfer, mitfühlend – und du hast auch so vielfältige Interessen, dass ich da nicht mitkomme. Wissenschaft, Polizei, Gesundheit und Ernährung, Musik, Bücher und jetzt auch noch Kochen. Wer weiß, was als Nächstes kommt?«
»Bringst du mir bei, wie man mit einer Pistole umgeht?«
Er ließ den Kaffeebecher sinken. »Wo kommt denn das jetzt her?«
»Es könnte eine meiner vielfältigen Interessen sein.«
»Liz.«
»Ich habe Alpträume.«
»Ach, Liebes.« Er legte seine Hand über ihre. »Sprich mit mir.«
»Ich träume von dieser Nacht. Ich weiß, dass das eine normale Reaktion ist, mit der man rechnen muss.«
»Aber das macht es nicht leichter.«
»Nein.« Sie starrte auf das Kochbuch und fragte sich, ob ihre Welt jemals wieder so unkompliziert wie Zutaten und Mengenangaben sein würde.
»Und ich träume davon, dass ich mir die Reihe von Verdächtigen hinter der Scheibe anschaue und dass Korotkii mich sieht. Ich weiß, dass er mich sieht, weil er lächelt. Und er greift hinter seinen Rücken wie in jener Nacht. Und alles um mich herum bewegt sich wie in Zeitlupe, als er die Pistole hervorzieht. Niemand reagiert. Er erschießt mich durch die Scheibe.«
»Er hat dich nicht gesehen, Liz.«
»Ich weiß. Das ist rational und logisch. Aber hier geht es um Angst und Emotionen – um unbewusste Ängste und Emotionen. Ich versuche, nicht darüber nachzudenken, versuche, mich beschäftigt zu halten.«
»Soll ich deine Mutter anrufen?«
»Warum?«
Angesichts ihrer aufrichtigen Verwirrung unterdrückte er einen Fluch. »Du weißt, dass wir einen Psychologen für dich haben. Du hast gesagt, du wolltest nicht mit ihm sprechen, aber …«
»Ich will es immer noch nicht. Wozu? Ich verstehe ja, was passiert ist und warum. Ich weiß, dass mein Verstand es verarbeiten muss. Aber er tötet mich, weißt du? Entweder hier im Haus, weil er mich in den Träumen findet, oder bei der Gegenüberstellung, weil er mich durch die Scheibe sehen kann. Ich habe Angst, dass er mich findet, dass er mich sieht, dass er mich tötet. Und ich fühle mich hilflos. Ich habe keine Macht, keine Waffe. Ich kann mich nicht verteidigen. Ich will mich aber verteidigen können. Ich will nicht hilflos sein.«
»Und du glaubst, wenn du schießen lernst, kannst du die Situation besser beherrschen und bist weniger verletzlich?«
»Ich glaube, das ist eine Antwort.«
»Dann bringe ich es dir bei.« Er zog seine Waffe, nahm das Magazin heraus und legte es beiseite. »Das ist eine Glock 19, eine Standardwaffe. In diesem Magazin befinden sich fünfzehn Kammern.«
Elizabeth nahm sie in die Hand, als er sie ihr reichte. »Sie ist polymer. Ich habe es nachgeguckt.«
»Ja, das war mir klar.«
»Sie ist nicht so schwer, wie ich gedacht habe. Aber sie ist nicht geladen, deshalb ist sie wohl leichter.«
»Im Augenblick bleibt sie auch noch ungeladen. Lass uns über Sicherheit reden.«
Sie blickte ihm in die Augen. »In Ordnung.«
Er erklärte ihr ein paar grundlegende Dinge, dann ließ er sie aufstehen und zeigte ihr, wie sie zielen und die Waffe packen musste. In diesem Moment kam Terry herein.
»Du lieber Himmel, John!«
»Sie ist nicht geladen«, sagte Elizabeth rasch.
»Ich kann nur wiederholen: Du lieber Himmel!«
»Warte mal kurz, Liz.«
»Oh. In Ordnung.« Zögernder, als sie es sich vorgestellt hätte, gab sie John die Pistole zurück. »Ich gehe in mein Zimmer.«
»Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?«, fragte Terry, als Elizabeth die Küche verlassen hatte.
»Sie möchte gerne lernen, mit einer Pistole umzugehen.«
»Und ich möchte gerne, dass George Clooney nackt in meinem Bett liegt, aber deswegen versuche ich noch lange nicht, ihn zu kidnappen.«
»Sie hat Alpträume, Terry.«
»Scheiße.« Terry riss die Kühlschranktür auf und nahm sich eine Cola heraus. »Es tut mir leid, John, das ist alles schrecklich schwer für das Kind. Aber es ist keine Antwort, ihr eine Waffe in die Hand zu drücken.«
»Sie glaubt, doch. Sie möchte
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