Die letzte Zeugin
seines Vaters den Job als Chief zu übernehmen. Loren Gleason – der Ty Crew und so ziemlich jedem anderen Schüler auf der Highschool die Geheimnisse von Algebra nahezubringen versucht hatte – erholte sich. Und mit dem Ernährungsplan und dem strengen Training, das seine Mutter für den armen Kerl ausgearbeitet hatte, war er mittlerweile gesünder als jemals zuvor in seinem Leben.
Trotzdem hatte der Vorfall Brooks erschüttert und in ihm den Wunsch verstärkt, wieder nach Hause zurückzukehren. Und nach zehn Jahren in Little Rock, nach zehn Jahren als letzter von fünf Detectives auf der Polizeiwache von Little Rock, hatte er gekündigt und die kürzlich frei gewordene Stelle als Chief angetreten.
Größtenteils war es schön, wieder zu Hause zu sein. Erst nachdem er wieder da war, hatte er gemerkt, wie sehr es ihm gefehlt hatte. Ihm ging durch den Kopf, dass er das möglicherweise in ein paar Jahren auch von Little Rock sagen würde, sollte er jemals wieder dorthin zurückgehen, aber im Moment gefiel es ihm in Bickford ausnehmend gut.
Auch wenn ihm der Job auf die Nerven ging.
Er frühstückte gerne ein oder zwei Mal in der Woche bei Lindy’s , er liebte die Aussicht auf die Hügel von seinem Bürofenster aus und die Stetigkeit seines Jobs. Er mochte die Stadt, die Künstler, die Töpfer, Weber, Musiker – die Yogis, die Wahrsagerinnen und all die Läden, Restaurants und Gasthäuser, die die Touristen anzogen.
In den Sechzigern hatten sich Hippies hier niedergelassen – Gott allein wusste, warum seine Mutter, die ihren Namen von Mary Ellen zu Sunshine verändert hatte und noch heute Sunny genannt wurde, etwa zehn Jahre später aus Pennsylvania gekommen war. Und so bezauberte oder bestach sie – je nachdem, wer die Geschichte erzählte – einen jungen Mathematiklehrer in seinem ersten Jahr.
Sie hatten sich am Flussufer Treue geschworen und eine Familie gegründet. Ein paar Jahre und zwei Babys später hatte Sunny sich dem sanften Druck gebeugt, den nur sein Vater ausüben konnte, und sie hatten ihre Beziehung legalisiert.
Brooks zog seine Schwestern gerne damit auf, dass er der einzige eheliche Gleason war. Sie erwiderten darauf nur schnippisch, er sei ja auch der einzige Gleason, der zur Ausübung seines Berufs eine Waffe brauche.
Er lehnte sich mit seinem Kaffee in der Hand zurück, beobachtete das Treiben draußen und ließ den Tag gemächlich angehen.
Die meisten Geschäfte hatten so früh noch nicht geöffnet, nur der Gemüseladen hatte sein Schild schon vor die Tür gestellt. Er versuchte, jedem Laden gerecht zu werden, deshalb nahm er ab und zu dort eine Suppe zu sich, aber er war ein unverbesserlicher Fleischfresser und sah einfach keinen Sinn in etwas wie Tofu, das als Fleisch verkleidet daherkam.
Die Bäckerei – nun, da war schon viel los. Und auch bei Cup O’Joe stand die Theke vermutlich voll. Der Februar war zwar gerade erst vorbei, aber die Touristen aus dem Norden kamen oft schon früh im Jahr, um dem Winter die Schärfe zu nehmen. Die Birnbäume hatten schon Knospen, und in einer Woche würden sie alle aufgeblüht sein. In Kübeln auf dem Bürgersteig drängten sich die Narzissen, gelb wie Butterstangen.
Sid Firehawks Truck furzte gewaltig, als er vorbeifuhr. Seufzend machte sich Brooks im Geiste eine Notiz, Sid noch einmal zu verwarnen, damit er endlich seinen verdammten Auspuff reparierte.
Betrunkene Frauenverprügler und Lärmverursacher, dachte Brooks. Das war was anderes als Raub und Mord. Aber die meiste Zeit gefiel es ihm ganz gut. Auch wenn es ihm auf die Nerven ging.
Und auch wenn es ihm nicht auf die Nerven ging, dachte er und richtete sich auf, um besser sehen zu können.
Er gestand sich ein, dass er nur deshalb so früh hier saß, weil die leise Chance bestand, dass sie in die Stadt kam.
Abigail Lowery mit den dunkelbraunen Haaren, dem außergewöhnlichen Hintern und dieser geheimnisvollen Aura. Hübsche katzengrüne Augen, dachte er, auch wenn sie sie die meiste Zeit hinter einer Sonnenbrille versteckte.
Abigail Lowery hatte einen raschen, zielgerichteten Gang. Sie schlenderte nie, und sie machte auch keine Umwege. Sie kam alle zwei Wochen in die Stadt und kaufte Lebensmittel ein. Immer frühmorgens, aber nie am gleichen Wochentag. Ab und zu besuchte sie auch eines der anderen Geschäfte und erledigte schnell ihre Besorgungen.
Das gefiel ihm an ihr. Ihre Zielgerichtetheit, ihre rasche Art. Wahrscheinlich würden ihm auch andere Dinge an ihr gefallen, aber sie
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