Die letzte Zeugin
Abigails Haus prasselte ein schönes Feuer. Auf dem Herd simmerte ein Topf mit Pasta e fagioli- Suppe. Sie hatte ein kleines rundes Olivenbrot gebacken und einen gemischten Salat vorbereitet, über den sie Himbeer-Vinaigrette geben wollte.
Alle Arbeit, die sie sich für den Tag vorgenommen hatte, war getan. Sie hatte anderthalb Stunden lang trainiert und auch mit Bert Übungen gemacht.
Jetzt würde sie ihr Abendessen genießen und fernsehen – vielleicht sogar zwei Filme, mit Popcorn für den zweiten.
Trotz der Unterbrechungen hatte sie eine sehr gute, sehr produktive Woche gehabt. Die Einnahmen für den Auftrag, den sie gerade fertiggestellt hatte, würden ihr Bankkonto aufpolstern und zu ihrem Seelenfrieden beitragen.
Und am Sonntag würde sie den Computer einmal ausgeschaltet lassen. Sie würde ihre Waffen säubern, im Garten und im Gewächshaus arbeiten, und vielleicht konnte sie auch noch ein bisschen wandern. Und dann würde sie es sich mit der restlichen Suppe gemütlich machen und den ganzen Abend lang lesen.
Ihrer Meinung nach war das ein perfektes Wochenende.
»Ich glaube, wir gucken erst einen Action- oder Abenteuerfilm und dann eine Komödie«, sagte sie zu Bert und rührte die Suppe noch einmal um. »Und Wein. Der Polizeichef hat recht gehabt. Es ist wirklich ein guter Wein. Und es wird nicht mehr lange kühl genug sein, um abends ein Feuer anzumachen, deshalb sollten wir das ausnutzen. Ich finde, wir sollten …«
Sie erstarrten beide, als die Alarmanlage piepste. »Da kommt jemand«, murmelte sie und legte die Hand auf die Waffe an ihrer Hüfte.
Sie zog die Augenbrauen zusammen, als sie den Streifenwagen aufs Haus zukommen sah. »Was will der denn schon wieder?«
Sie trat an ihren Computer und zoomte ihn nah heran, um sich zu vergewissern, dass tatsächlich Brooks hinter dem Steuer saß. Nach kurzem Nachdenken schnallte sie den Pistolengürtel ab. Er würde nur noch mehr Fragen stellen, wenn er sah, dass sie ihn auch samstagsabends zu Hause trug.
Sie verstaute ihn in einer Schublade und wartete, bis Brooks den Cruiser geparkt hatte. Wenigstens stellte er ihn dieses Mal neben ihrem Auto ab und nicht dahinter.
Sie trat an die Tür, schloss auf und hob den Riegel. Als sie die Tür einen Spalt weit öffnete, legte sie zur Sicherheit die Hand auf die Pistole unter dem Tisch.
Sie runzelte die Stirn, als sie die Tulpen sah.
»Was tut dir dieses Mal leid?«
»Mir tut nichts leid. Oh, die Blumen. Komisch. Ich wollte damit eigentlich meine Schwester bestechen, mir etwas zu essen zu geben, aber am Ende war ich auf einmal auf dem Weg hierher.«
In der Dämmerung leuchteten seine Augen noch stärker bernsteinfarben, und das lässige Lächeln, das er aufsetzte, wirkte nicht ganz echt.
»Um mich mit den Blumen zu bestechen?«
»So weit habe ich gar nicht gedacht. Lässt du mich denn hinein?«
Sie öffnete die Tür ein wenig weiter. »Sie sind sehr hübsch. Du solltest sie wirklich deiner Schwester schenken.«
»Wahrscheinlich, aber jetzt schenke ich sie dir. Ich hatte einen Scheißtag. Er hat zwar nicht schlecht angefangen, aber am Ende war es nur noch blöd. Ich wollte Mya besuchen, damit ihre Familie mich aus meiner schlechten Laune herausholt. Aber dann habe ich mir gedacht, dass das ja doch nicht funktioniert.«
»Es ist unwahrscheinlich, dass sich deine Laune hier bessert.«
»Sie ist schon besser geworden.« Er schenkte ihr ein fröhliches Lächeln, das beinahe – beinahe – seine Augen erreichte. »Irgendetwas hier riecht echt gut, von dir mal abgesehen.«
»Ich weiß nicht, warum du hierhergekommen bist.«
»Ich bin mir auch nicht ganz sicher. Du kannst mir auch gerne die Tür vor der Nase zumachen. Die Blumen bekommst du trotzdem.«
Noch nie hatte ihr jemand Blumen geschenkt, und beinahe hätte sie das gesagt. Im letzten Moment nahm sie sich zusammen. »Ich wollte gerade ein Glas von dem Wein trinken, den du beim letzten Mal mitgebracht hast, und jetzt hast du Blumen für mich dabei. Ich fühle mich verpflichtet.«
»Das zeigt wahrscheinlich, wie schrecklich mein Tag war.«
Sie trat einen Schritt zurück, ließ ihn ein, schloss die Tür und verriegelte sie hinter ihm. Und als sie sich umdrehte, streckte er ihr die Blumen entgegen.
»Danke, auch wenn du sie für deine Schwester gekauft hast.«
»Bitte.«
»Sie brauchen Wasser.«
Er folgte ihr und den Kochdüften in die Küche.
»Das ist ein guter Abend für Suppe und ein Feuer im Kamin«, sagte er in der Hoffnung, von beidem
Weitere Kostenlose Bücher