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Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Monaten endlich durchatmen. Sein ekelhaftestes und verachtungswürdigstes Geheimnis war aus ihm herausgekrochen wie eine schwarze, schleimige Kröte. Jeff kam zurück mit zwei Bier und zwei Korn.
    Hier, Baby. Geht’s dir jetzt besser?
    Ivy nickte und schüttelte gleichzeitig verwundert den Kopf. Es ging ihm tatsächlich besser und er wusste nicht, weshalb. Weil er die Kröte ausgespuckt hatte. Als Schneewittchen den Apfelkrotzen aus dem Hals gespuckt hatte, schlug sie die Augen auf und war erlöst.
    Danke, Jeff. Bist ’n feiner Kerl.
    Die Wahrheit wird euch frei machen. Steht in der Bibel.
    Ivy legte die Hand auf sein Knie und Jeff legte den Arm um ihn. Eine Wohltat irgendwie. Ivy fühlte sich so wohl wie seit langem nicht mehr.
    Prost. Den nächsten geb’ ich aus.
    Prost.
    Ivy lachte und war saumäßig entspannt.

Oh Gott, du hast in dieser Nacht  
so väterlich für mich gewacht.
Ich lob und preise dich dafür
und dank für alles Gute dir.
Heiliger Schutzengel mein,
lass mich dir befohlen sein,
an diesem Tag ich bitte dich
beschütze und bewahre mich.
In allen Nöten steh mir bei
und halt mein Herz von Sünden frei.
Vergilt, oh Herr, weil ich nicht kann,
das Gute, das man mir getan. Amen.
    Lotta verstand nicht recht, was Frau Eisbrenner da murmelte. Sie zog ihr vorsichtig das Nachthemd aus, nahm viel zu viel Seife in den Waschlappen und schäumte ihren Bauch und Rücken so voll, dass tausend kleine Seifenbläschen in weißen Strömen über ihre Haut liefen. Am Bauch war Frau Eisbrenner ganz glatt und am Rücken auch. Aber der Rücken war so krumm wie der einer Eidechse, die an einer Mauer hinauflief. Jeder Körper war anders und Lotta seifte gründlich und hingebungsvoll und betrachtete die kostbare Verdrehung zwischen den Schulternblättern, die markanten kleinen Treppchen auf ihrer langen Wirbelsäule, die weiße Haut im Gegensatz zu den rötlich verfärbten Armen. Wie konnte Frau Eisbrenner mit einem so krummen Rücken so aufrecht gehen? Lotta schäumte und wusch und betrachtete die tiefblauen Augen der leise betenden Frau Eisbrenner und sie vergaß die Zeit. Sie machte das so gerne, so gerne.
    Da ging die Klingel schrill und penetrant wie ein ekelhafter Wecker in früher Morgenstunde, Lotta erschrak und sah auf die Uhr. Der verdammte Ivy! Wegen dem war sie wieder aus dem Rhythmus, wegen dem konnte sie das Frühstück nicht vorbereiten, schon wieder war er nicht auf die Arbeit gekommen, der taugte nicht für fünf Pfennig, dieser Mistkerl. Gottseidank hatte sie sich nicht näher mit ihm eingelassen, so eine unberechenbare … Knalltüte. Rosalinde wieder außer sich, Kevin wieder ein rasendes Hemd auf zwei Beinen, überall suchten die Leute ihre Gebisse, Ivy brachte einfach mal so nebenbei die ganze Station zum Zusammenbruch. Wahrscheinlich lag er irgendwo volltrunken bei irgendeinem Blödmann. Lotta ärgerte sich über alle Maßen und Rosalinde tat ihr so leid. Die Panik überall.
    Jetzt erledigte Lotta Ivys Arbeit und ihre eigene blieb liegen.
    Rasch und hektisch rubbelte sie Frau Eisbrenner trocken und zog ihr ein frisches Nachthemd an.
    Wie fühlen Sie sich? Hm?
    Die Klingel schrillte.
    Lotta legte die Hand auf die Stirn. Die Stirn war nicht mehr so heiß wie gestern, Frau Eisbrenner hatte fiebersenkende Mittel bekommen.
    Jaa, sagte Frau Eisbrenner. Ja jaaa. Können wir machen. Gehen wir einfach.
    Wir können jetzt nicht gehen. Dösen Sie noch ein klein wenig, ich bringe Ihnen später das Frühstück ans Bett. Möchten Sie Brötchen oder vielleicht auch einen leckeren Griesbrei?
    Jaaa, sagte Frau Eisbrenner und nickte. Können wir machen!
    Lotta zog das Bettgitter wieder hoch. Kein Blatt Papier, um das Bettgitterheben abzuzeichnen. Was soll’s.
    Herr Wickert hatte geschellt.
    Guck mal, sagte er, das bist du!
    Herr Wickert hielt ihr freudestrahlend die Bildzeitung entgegen. Auf der Bildzeitung prangte auf Seite eins die Fotografie einer steinalten, verhutzelten Frau und darunter stand: Die älteste Frau der Welt.
    Lotta wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    Und deshalb haben Sie geschellt? Um mir zu zeigen, dass ICH in der Bildzeitung bin als die älteste Frau der Welt? Wegen diesem Sensationswitz?
    Ja!, lachte Wickert.
    Sie Esel!, entfuhr es ihr.
    Hahaha! Wickert lachte und lachte und von dem dröhnenden Lachen wackelte die Lampen und die Bilder an der Wand. Lotta schüttelte den Kopf und lief davon. Sie konnte niemanden mehr waschen, sie musste Brötchen schmieren, dringend. Wo nur Ivy blieb?
    Wie

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