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Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Kaffee und setzte ihn Frau Wissmar an die Lippen.
    Da – probieren Sie mal! Lecker Kaffee!
    Aber Frau Wissmar wehrte ab, mit ihren schmalen, gespreizten Fingern schob sie den Becher weg und drehte den Kopf zur Seite. Lotta versuchte es mit dem Wasserbecher. Aber Frau Wissmar trank nur einen Schluck.
    Frau Wissmar, werden Sie doch mal wach! Sie müssen doch bestimmt auf die Arbeit gehen.
    Ich … ich habe einen Termin, flüsterte Frau Wissmar undeutlich.
    Na sehen Sie!
    Aber … ich weiß nicht, wo, … ich darf den Termin nicht versäumen!
    Lotta wurde nervös, der Kaffee wurde kalt, da draußen.
    Der Termin ist noch diese Woche, da muss ich hin.
    Lotta wurde unschlüssig, legte noch einmal den Wasserbecher an, Frau Wissmar verschluckte sich und das Wasser lief wieder aus ihrem Mund heraus. Sie schloss die Augen und sank ins Kissen zurück.
    Ich muss gehen. Es tut mir leid, sagte Lotta. Ich sage Schwester Rosalinde Bescheid und dann muss die mal kommen … also dann, Frau Wissmar.
    Eben als sie das Zimmer verlassen wollte, hörte sie die Stimme von Frau Wissmar glockenklar und eindringlich:
    Bleiben Sie da!
    Lotta stand augenblicklich still. Sie ging zögerlich zurück. Sah die immer noch geschlossenen Augen, sah unter den Lidern die Augäpfel tanzen.
    Was … was ist denn, Frau Wissmar?
    Frau Wissmar redete undeutlich, mit dem viel zu großen Gebiss, das sich in ihrem Mund verschob.
    Ich will nur, … ich muss …
    Haben Sie … haben Sie Angst?
    Ja. Bleiben Sie da.
    Bedrohlich spürte Lotta draußen die Temperatur des Kaffees absinken. Grad für Grad. Hörte die bösartigen Alten schimpfen und fluchen, wenn der Kaffee kalt war. Sie griff beruhigend nach Frau Wissmars Händen und Frau Wissmar erwiderte den Druck wie eine Eisenkralle. Lotta konnte sich gar nicht mehr losmachen.
    Ich muss doch noch das restliche Frühstück austeilen, bitte, ich muss los, ich komme wieder! Ich komme wieder!
    Sie wollte so gerne bei Frau Wissmar sitzen bleiben, sie konnte doch niemanden in Todesangst zurücklassen. Vielleicht beeilte sie sich, beeilte sie sich sehr. Und obwohl außer Sarah alle Pfleger da waren, und obwohl sie bei der Pflege nicht helfen musste, war Lotta doch schon wieder nass geschwitzt, morgens um acht Uhr war sie immer schon klatschnass geschwitzt, selbst der Hosenbund war von innen feucht. Schwester Nadjeschda brachte immer zwei Unterhosen mit, die wechselte sie im Laufe einer Schicht, so sehr schwitzte sie, so schwitzten alle, niemand konnte sein Hemd am nächsten Tag noch mal anziehen.
    Ich komme wieder!, rief sie noch mal, hoffentlich, dachte sie. Hoffentlich, hoffentlich.
    Frau Wissmar antwortete nicht. Lotta überlegte, ob sie das Bettgitter wieder hochmachen sollte. Da gab es doch irgendeine Anordnung für, wie ging die gleich. Sie ließ es lieber unten, rein instinktiv. Frau Wissmar sagte nichts mehr. Sie hatte die Augen geschlossen und lag da wie immer. Auf dem Rücken, die gespreizten Hände zum Gebet gefaltet, die Decke über die Rippen gezogen. Sie krümmte sich niemals in eine Embryonalhaltung hinein. Frau Wissmar lag Tag und Nacht bewegungslos auf dem Rücken wie eine altägyptische Königin.

Nackte Weiber überall   . Hockten auf Heuballen, krochen über den Boden, hielten Zügel in der Hand, trugen Cowboyhüte.
    Geile Stuten suchen feurigen Hengst oder Reiter. So stand es in dicken Lettern geschrieben und darunter hielten die geilen Stuten auf allen vieren ihre überdimensionalen Brüste in die Kamera.
    Lotta konnte es nicht fassen. Aber Herr Kurtacker war selig mit seinen Pornoheften eingeschlafen und auf der Bettdecke tummelten sich aufgeklappt die gelüstigen Huren mit nacktem Fleisch und rosiger Haut und wallendem Haar. Lotta sah nur noch Brüste. Sie stellte das Frühstückstablett auf den Tisch und wollte die Rollläden hochziehen, als Herr Kurtacker grunzte, sich einmal umdrehte und die nackten Stuten auf den Boden fielen. Ivy hatte Recht gehabt. Herr Kurtacker brauchte irgendwas aus Fleisch und Blut. So konnte es nicht weitergehen. Unter dem Nachttisch stapelten sich die Pornovideos. Die kamen von Kevin, der mildtätige Mensch brachte ihm immer was mit. Herrn Kurtackers Freuden: Pornofilme und Hardrockmusik und Alexandra: Zigeunerjunge, und Plastikfiguren aus dem Überraschungsei.
    Lotta überlegte, ob man Herrn Kurtacker nicht so eine Gummipuppe kaufen könnte, der konnte er schnell mal den Hals umdrehen, ohne dass er größeren Schaden anrichtete. Nur die Flasche Bier durfte er ihr

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