Die letzten Dinge - Roman
abtrocknen.
Das Wasser … das Wasser singt!
Nadjeschda stutzte. – Was? Das Wasser singt? Aber was singt? Kalinka?
Schiwrin antwortete nicht mehr und träumte strahlend weiter. Was immer er hörte, welche Melodien und Lieder, er legte den Kopf auf seinen Unterarm und sein Lächeln blieb, er lächelte immer weiter, bis Nadjeschda noch einmal den Kopf schüttelte und nach draußen lauschte. Der Hausmeister war noch nicht gekommen, sie hatte sich gewünscht, er hätte das Sofa weggeräumt, während sie Herrn Schiwrin wusch.
Aber der Hausmeister blieb fort.
Warte, Herr Schiwrin. Höre noch scheene Musik, halte scheen fest, guck hier, neue Schlafanzug von treue Frau! Warte nur eine Moment!
Und Nadjeschda ging hinaus, holte tief Luft und wenn sie lange Ärmel getragen hätte, dann hätte sie sie jetzt aufgekrempelt. Dann stürzte sie sich wie ein Berserker auf das Sofa, riss Decken und Kissen runter und warf das Sofa auf die Seite, schob es, bekam einen hochroten Kopf und schuftete, lenkte und drückte, bis sie endlich in einem Schwung das schwere Möbel auf den Flur befördert hatte.
So, Jewgeni Schiwrin. Jetzt nicht mehr spiele mit mir. Macht mir Rucken kaputt, Jewgeni Schiwrin, jetzt kann nicht mehr auf Sofa liegen, Schluss und Tschuss!
Sie rieb sich die Hände und holte Schiwrin endlich von der Toilette.
Guckst du, scheen langsam, gehe wir Bett, ich habe iemer gesagt: bleibst du Bett, du mir nicht gehort.
Es klopfte draußen. War das der Hausmeister? Er sollte das Sofa in den Keller befördern und fertig. Aber es klopfte wieder und diesmal in einem anderen Knöchelklang. Schiwrin, der so krank und so selig war, taperte brav zu seinem Bett und legte sich mit vielem Ächzen und Stöhnen nieder. Es klopfte zum dritten Mal.
Jetzt kann kommen, herein!, rief Nadjeschda.
Die Tür ging auf. Da standen Valerija Webknecht, geborene Schiwrin, Uljana Schiwrin, geborene Levmanikow, und Darijah Kloft, geborene Schiwrin.
Jede hielt sich an ihrer Handtasche fest, machte ein stolzes, unnahbares Gesicht und begehrte Einlass.
Oh gutt, sagte Nadjeschda, legte den Kopf schief und strahlte. – Oh gutt, sind alle gekommen, guckst du, Jewgeni Schiwrin, ach was gutt!
Schiwrin rappelte sich auf und blickte erstaunt.
Ojoijoijoji! – Meine Töchter, meine Frau!
Und einen Augenblick war nicht ganz klar, ob er sich freute oder ob der Schrecken größer war, Schiwrin sank zurück auf die Kissen. Ob sie in Erbschaftsangelegenheiten da waren? Ob sie ihn beschimpfen wollten oder vergiften? Ob sie mit ihm abrechnen wollten nach all der Zeit? Ach, könnte Nadjeschda nicht noch mal das Wasser laufen lassen, konnte sie nicht hier bleiben? Und wo war eigentlich sein Sofa? Die ganze Zeit waren die Möbel gerückt, hin und her, die ganze Zeit bewegten sie sich. Jetzt standen die Möbel still, das Sofa aber war offensichtlich ganz fortgelaufen.
Hm, sagte Darijah, die böse Tochter. – Hier riecht es aber sehr seltsam. Kann man das nicht sauberer halten?
Und hier liegt schmutzige Wäsche im Bad! Das muss fortgeräumt werden, sagte Valerija.
Wird mein Mann hier überhaupt gut versorgt?, warf Uljana sich in die Bresche.
Sie liefen zu Jewgeni und stellten sich um sein Bett, sagten etwas wie »Hee alter Mann« auf Russisch, rüttelten ein wenig am Bettrand als Ausdruck von Zärtlichkeit und begannen, Rotbäckchensaft in ihn hineinzuschütten.
Das ist unser Väterchen, sagten sie streng. – Er hat es nicht verdient, dass man ihn hier im Gestank liegen lässt. Seine Kleider sind nicht in Ordnung und warum hat er keine warmen Socken? Hier sind warme Socken.
Er muss besser versorgt werden! Er hat immerhin Pflegestufe III!
Sie gaben ihm zu trinken, sie gaben ihm zu essen, sie schrubbten ihm das Gesicht ab, sie sorgten sich emsig und machten böse Gesichter. Valerija, Darijah, Uljana und Jewgeni hatten sich wieder gefunden. Sie waren vereinigt. Vereinigt um das Bett von Väterchen Jewgeni, der ergeben in seinen Kissen lag und von Zeit zu Zeit angstvoll schaute, gerührt war oder aus unerfindlichen Gründen kicherte. Die russische Familie war wieder versöhnt und sie wollten sich nie wieder trennen, sie hielten zusammen, hielten Wacht am Krankenbett und verbündeten sich, um fortan gemeinschaftlich das Personal der Station III zu beschimpfen.
Ein neuer Morgen . Blitzsauber wehten die aprikosenfarbenen Stores im Frühstückzimmer, die Stühle standen gerade an jedem Tisch, der gelbe Anstrich wärmte die Stube, das Radio war noch stumm,
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