Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
sich vor dieser entsetzlichen Macht in den Boden zu verkriechen. Tief im Herzen genoss Cale ihre Erniedrigung fast so sehr wie den Anblick des grauenhaften Blutbads, das in dem Pferch stattgefunden hatte. Er gab den beiden Erlösern fünf Minuten, um sich zu erholen, dann führte er die Männer zu Hooke und dem Purgator, die vor dem Pferch auf sie warteten, in dem sich die Schweine befanden, oder vielmehr das, was von ihnen übrig geblieben war. Wie Hooke alias Fancher gehofft hatte, war das Ende schnell gekommen, doch der Schaden überstieg alles, was die beiden Priester begreifen konnten. Zwar hatten beide schon oft genug die grausigen Verfahrensweisen und Folgen von Hinrichtungen beobachten können, aber diese Tötungen waren im Sinne der Gesetze schmerzlich langsam und mühsam durchgeführt worden– genau darin lag eben die Strafe. Was sie jedoch hier zu sehen bekamen, war die Wirkung brutalster Gewalt, grauenvoll und unmenschlich: Körper, größer als Menschen, denen alle inneren Organe herausgerissen, deren Glieder zerfetzt und Beine und Köpfe abgerissen und herumgewirbelt worden waren. Es war eine Gewalttätigkeit, die einer anderen Welt zu entstammen schien und für Bosco und Princeps unfassbar war. Sie hätten kaum mehr schockiert sein können, wenn der Teufel persönlich herangeflogen und die Schweine mit bloßen Händen auseinandergerissen hätte.
Dennoch waren Cale und Hooke sehr erstaunt, als Bosco, immer noch weiß vor Entsetzen, Cale verbot, diese grauenhafte Maschine gegen die lakonischen Söldner zum Einsatz zu bringen.
»Ist dir klar«, sagte er, »was die Kurie tun wird, wenn sie von diesen Eruptionen erfährt? Man wird mit uns einen so gewaltigen Scheiterhaufen errichten, dass sogar die Leute in Memphis noch ihren Hintern daran wärmen können. Habt ihr, du und dieser Verrückte, denn überhaupt eine Vorstellung, was ihr heute losgetreten habt?«
»Was wir heute losgetreten haben, Monsignore Bosco«, brüllte Cale wütend zurück, »ist eine sichere Methode, ein Heer zu besiegen, das bereits einen großen Teil Eurer Truppen zerquetscht hat wie lästige Fliegen. Und wenn ihnen das noch einmal gelingt, können sie direkt bis zum Thron des Gehenkten Erlösers in Chartres spazieren, ohne dass ihnen auch nur ein einziger Kriegermönch vor die Füße spucken kann.«
Das war zwar etwas drastisch ausgedrückt, entsprach aber im Wesentlichen der Wahrheit, sodass beide in betretenes Schweigen verfielen. Princeps und Hooke alias Fancher verfolgten mit großen Augen die laute Zänkerei zwischen dem großen Prälaten und dem Jungen, der kein Junge war, sondern der Fleisch gewordene Zorn Gottes. Cale brachte sich als Erster wieder mühsam unter Kontrolle.
»Wenn ich diese Schlacht verliere, wird es keine zweite Chance mehr geben. Ihr verlangt von mir, dass ich hier siege.«
»Die Stunde ist noch nicht gekommen, um sich gegen die Kurie aufzulehnen.«
»Wann, wenn nicht jetzt, würde diese Stunde kommen?«
Dagegen gab es kein vernünftiges Argument mehr. Als Bosco allmählich klar wurde, dass alles, wofür er seit dreißig Jahren gearbeitet hatte, auf diesen einen großen Tag des Handelns hinauslief, sagte er nicht mehr viel. Es ging nur noch um das Jetzt oder Nie.
»Wir müssen nun gehen, um die Ereignisse in Chartres vorzubereiten. Wenn du einen Sieg erringst, schick uns die Nachricht, sofort und auf sicherem Wege. Wenn nicht, werden uns die Lakonier die Nachricht nach Chartres bringen.«
Und damit war die Besprechung zu Ende. Bosco verließ das Zelt ohne ein weiteres Wort, kehrte aber wenig später mit einem Brief in der Hand zurück. »Diesen Brief hätte ich dir schon vor ein paar Tagen übergeben sollen. Er stammt von deinem Statthalter auf dem Veldt. Ich dachte, er würde dich interessieren.« Cale steckte den Brief mit großem Getue in eine seiner vielen Taschen.
Zwanzig Minuten später– Bosco und Princeps waren bereits auf dem Weg nach Chartres– hatte Cale gerade Henri geschildert, was sich zugetragen hatte. Eine Weile saßen sie schweigend zusammen.
»Jetzt wäre die beste Zeit abzuhauen, wenn du es versuchen möchtest«, sagte Cale schließlich.
»Hast du nicht behauptet, es sei zu riskant?«
»Ich habe mich vielleicht geirrt. Und Bosco muss mir nun vertrauen, ob er will oder nicht. Niemand würde dich verfolgen. Wenn du bleibst, ist es ebenfalls riskant– ungefähr fünfzig-fünfzig.«
»Ich kann nicht weg.«
Offenbar gingen Henri andere Dinge durch den Kopf.
»Warum
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