Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
musst du erst einmal beweisen.«
ZWANZIGSTES KAPITEL
W
ie kann ich Euch helfen, IdrisPukke? Oder anders ausgedrückt, habt Ihr mir etwas anzubieten, das ich möglicherweise haben möchte?«
Der Fragende war ein gewisser Señor Bose Ikard, der IdrisPukke an einem Tisch gegenübersaß, der so groß war wie das Bett eines Königs. Sein Gesichtsausdruck spiegelte selbstzufriedene und zynische Gewissheit wider– der Ausdruck besagte ungefähr: Ich habe dich durchschaut, bilde dir nur nichts Falsches ein. In den Vier Quadranten galt er als berühmter Rechtsanwalt, als Naturphilosoph– er hatte eine Methode zur Tiefkühlung von Hähnchen im Schnee erfunden– und ganz besonders als Berater der Großen und Mächtigen, vor allem des Königs Zog der Schweiz. Ikard war sowohl für seine Bildung als auch für seine Dummheit und seine höchst unangenehmen persönlichen Gewohnheiten bekannt. In der Welt wurde allgemein bezweifelt, dass es der Schweiz gelungen wäre, sich fünfhundert Jahre lang aus jedem Krieg herauszuhalten, wenn Bose Ikard nicht gewesen wäre– aber es gab doch beträchtliche Zweifel, ob dies angesichts des allgemein vorhergesagten Sturms selbst einem so gerissenen und prinzipienlosen Mann wie ihm weiterhin gelingen würde. Dies erklärt auch, warum er auf IdrisPukkes Anwesenheit so feindselig reagierte, eines Mannes, der genau diesen Sturm ins Herz von Spanish Leeds und der gesamten Schweiz gebracht hatte.
Seit ihrem letzten Gespräch waren mehr als zehn Jahre vergangen, und selbst damals war es keine Konversation im normalen Sinne gewesen, denn Señor Bose Ikard hatte gerade das Todesurteil über IdrisPukke gefällt und fragte ihn nun, ob er noch etwas zu sagen habe. Ikard wusste, dass IdrisPukke des ihm zur Last gelegten Mordes nicht schuldig war– aus dem durchaus überzeugenden Grund, dass er selbst den Mord angeordnet hatte, für den IdrisPukke auf der Anklagebank saß. Trotzdem bestanden zwischen ihnen keine Hassgefühle, da das Verdikt selbst nur eine Finte war, um die Gauleiter noch stärker unter Druck zu setzen, damit sie den Druck auf die Gauleiter verstärkten, die IdrisPukke beschäftigte. Damals schätzten die Gauleiter IdrisPukke noch so sehr, dass sie einen von Bose Ikards politischen Gegnern auslieferten. Der Mann hatte bei ihnen Asyl gesucht, da er glaubte, dass sie seiner Sache positiv gegenüberstünden– eine komplizierte Angelegenheit, um die leidenschaftlich gestritten wurde, wobei allerdings nur wenige Menschen in der Lage waren, eine verständliche Zusammenfassung des Vorgangs zu geben. Tatsächlich standen die Gauleiter seiner Sache positiv gegenüber– allerdings nicht positiv genug, um sich davon abhalten zu lassen, dem Austausch von IdrisPukke gegen den Exilanten zuzustimmen, der übrigens nach seiner Rücküberführung prompt und ohne Umstände hingerichtet wurde.
Gegenwärtig befand sich Ikard in einem Zustand ständiger politischer Gereiztheit. In alltäglichen Dingen zeigte er sich nach wie vor als angenehmer Zeitgenosse, und das würde er auch bleiben, obwohl seine politischen Henker permanent versuchten, seine Knochen zusammen mit einem großen Sack Kalk in irgendein Erdloch zu schaufeln. Er war, wie Vipond es einmal ausgedrückt hatte, »fast der typische Polit-Schurke, nur viel gerissener. Seine größte Schwäche ist, dass er jeden, der die Welt nicht so sieht wie er, für einen Scheinheiligen hält«.
Ikards derzeitige Sorgen hatten damit zu tun, dass sich Vipond in Spanish Leeds aufhielt, der größten der schweizerischen Grenzstädte. Zugegeben, eigentlich war nicht Vipond als Person das Problem, sondern die verstreuten, aber immer noch beträchtlichen Überreste der Materazzi, die in die Stadt geflohen waren. Nach Ikards Meinung hatten sie auf schändliche Weise ihr Reich verloren, sich nun auf sein bitter zur Neutralität entschlossenes Land gestürzt und sich in kürzester Zeit zu einem verdammt ernsthaften Ärgernis entwickelt. Und nun drohte noch Schlimmeres. Ikard hatte versucht, seine üblichen Politiken im Umgang mit Verbündeten anzuwenden, die nicht mehr nützlich waren– also ihnen alles außer echter Unterstützung zu gewähren. Leider war König Zog der Schweiz ein sentimentaler Snob und hatte darauf beharrt, den in Not geratenen adligen Brüdern und Schwestern Zuflucht und finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen. Ikard betrachtete beides als ruinös teuer, und außerdem bereitete es den Boden für unvorhersehbare weitere Probleme,
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