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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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harmonierte. Dieses weise Verdikt mit dem manifestierten Willen Gottes war die Wahl von Bosco zum Papst und Nachfolger von Papst Bento, der einem Schlaganfall erlegen war, nachdem man ihm während eines seiner klaren Augenblicke die Nachricht vom großen Sieg bei den Golanhöhen überbracht hatte. Man hatte ihm auch mitgeteilt, dass Gant und Parsi sich verschworen hatten, ihn zu ermorden, dass sie nun aber selbst tot seien, zusammen mit einer ganzen Menge ihrer verräterischen antagonistischen Gefolgschaft. Die schnelle Abfolge von höchster Freude und größtem Entsetzen war für die schwächliche Verfassung des alten Mannes zu viel gewesen.
    Und so hatte sich für Bosco das letzte große Problem bei der Verfolgung seines Zieles, der Stellvertreter Gottes auf Erden zu werden, buchstäblich so leicht aufgelöst wie der frühe Morgendunst in Vallombrosa. Ihm war, als stünde er auf dem Gipfel eines unglaublich hohen Berges, auf den er nur unter Überwindung jedes nur denkbaren Hindernisses von Felsen, Eis und Abgrund hatte gelangen können, und von dem er nun hinabblickte und erst jetzt erkannte, wie entsetzlich und furchtbar der Aufstieg gewesen war. Aber es war nicht sein Leben, das in Gefahr gewesen war, auf grauenhafte Weise abzustürzen und sich jeden Knochen im Leibe zerschmettern zu lassen, sondern seine unsterbliche Seele. Er blickte auf die Kapelle der Tränen und fing an zu zittern– doch nicht einmal der aufmerksame Gil bemerkte etwas anderes als die normale nachdenkliche Ruhe. Dennoch war Boscos Seele so tief erschüttert wie der Nachklang der großen Bronzeglocke von Sankt Gerard, die nur aus Anlass der Wahl eines neuen Papstes der Universalen Kirche des Gehenkten Erlösers geläutet wurde. Gerüchten zufolge konnte man eine Stimmgabel noch eine Woche nach dem Läuten an die nach wie vor vibrierende Glocke halten und würde einen Ton zu hören bekommen. Aber Bosco wusste, dass der Terror, den er selbst ausgelöst hatte, bis zu seinem Todestag in ihm nachklingen würde. Das furchtbarste Ereignis allerdings lag noch immer vor ihm: der reinigende, von allem befreiende Tod. Bei dem Gedanken an dieses Große, das er getan hatte und noch tun würde, schwanden ihm fast die Sinne. Die seltsame Stimmung in dem Raum beunruhigte Gil zutiefst, so wenig er auch ihre Ursachen begriff. Endlich hielt er es nicht mehr aus.
    »Die Riten des Argentum Pango wurden am verstorbenen Papst zelebriert, und man hat ihn zur Vorbereitung der Beerdigung in das Leichenhaus gebracht.«
    Das Argentum Pango war eine Prüfung, deren Ursprünge längst im Dunkel der Geschichte verloren gegangen waren. Dabei schlug man dem Papst mit einem Silberhammer dreimal an die Stirn, um sicherzustellen, dass er tot war. Der Bruder, welcher den ersten der drei Schläge ausführte, hatte keine Erfahrung mit dem Ritual, da der Tod des Vorgängers von Papst Bento schon so viele Jahre zurücklag, und hatte so hart auf die Stirn geschlagen, dass eine Delle zurückgeblieben war. Ein missmutiger Gil hatte ihn darauf hingewiesen, dass er den Papst nur aufwecken und nicht umbringen sollte. Er nahm ihm den Hammer aus der Hand und klopfte zweimal leicht auf die Stirn des Toten.
    Da er fälschlicherweise glaubte, dass Bosco ungewöhnlich still sei, übermittelte er ihm auch eine noch wichtigere Information: Es habe sich bestätigt, dass Cale die Verfolgung der Lakonier genutzt habe, um selbst zu fliehen, und dass man annehme, dass er sich bereits mit seinen Purgatoren in Spanish Leeds aufhalte.
    Die Beziehung zwischen Gil und Bosco hatte sich merklich abgekühlt, seit Gil vorgeschlagen oder vielmehr um Boscos Einverständnis gebeten hatte, dem Tod des Papstes ein wenig nachhelfen zu dürfen. Gil hatte Boscos Weigerung zutiefst betrübt, obwohl sich die Sache dann doch so passend selbst geregelt hatte, ohne dass er irgendwelche drastischen Schritte hatte unternehmen müssen. Schieres Glück, dachte Gil, aber ich befand mich im Recht. Bosco hatte in keiner Weise versucht, die Sache durch seine größere Weisheit oder Urteilskraft zu beeinflussen, sodass auch bei ihm eine Menge Glück im Spiel gewesen war. Wie es eben manchmal bei solchen Ärgernissen der Fall war, hatte sich Nichtstun als bessere Alternative herausgestellt. Und so blickte Bosco hoffnungsvoll zum immer noch rauchfreien Schornstein der Kapelle der Tränen hinauf, aus dem sich bald das Zeichen der Wahl eines neuen Papstes kräuseln sollte. »Wenn sie noch sehr lange brauchen«, sagte er, »werde ich

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