Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
zum Abendessen im Großen Saal des Schlosses von Spanish Leeds. Er hatte die Einladung gerade zum dritten Mal gelesen, als es an der Tür klopfte.
»IdrisPukke.«
Cale öffnete sie, die Einladung immer noch in der Hand. Sie war so kunstvoll verziert, dass man sie nicht übersehen konnte, und IdrisPukke war ohnehin kein Mensch, der irgendetwas übersah. »Darf ich?«, fragte er und nahm ihm die Einladung aus der Hand.
»Tut Euch nur keinen Zwang an.« Cale war gespannt zu erfahren, was es mit diesem großartigen Abendessen auf sich haben mochte und warum man ihn dazu eingeladen hatte, aber noch bevor er IdrisPukke ausfragen konnte, gab ihm dieser einen eindeutigen Rat.
»Du kannst da nicht hingehen.«
»Warum nicht?«
»Es ist eine Falle.«
»Es ist ein Abendessen.«
»Für alle anderen ist es ein Abendessen. Für dich ist es eine Falle.«
»Ich bin ganz Ohr.«
»Die Einladung kommt von Bose Ikard.«
»Da steht aber, dass sie vom Oberbürgermeister kommt.«
»Er will Probleme stiften, damit er den König leichter davon überzeugen kann, wie gefährlich es doch sei, dass die Überreste eines verbitterten Reiches seine zweitgrößte Stadt bevölkern und auf eine Chance warten, ihre Pechsträhne wieder in eine Glückssträhne zu verwandeln.«
»Damit hat er ja nicht Unrecht.«
»Nein, hat er nicht.«
»Und was hat das alles mit mir zu tun?«
»Dir eilt ein gewisser Ruf voraus.«
»Und der wäre?«
»Dass dir, wo immer du auftauchst, die Katastrophe folgt wie ein Spaniel.«
Das letzte Wort konnte Cale zwar nicht mehr verwirren, wohl aber die ganze Sache. »Er sucht Streit mit dir und den Materazzi, und er hat schon eine ziemlich gute Idee, wie er ihn vom Zaun brechen kann. Du wirst beim Abendessen Arbell und ihrem Gatten gegenübersitzen.«
Das Schweigen, das jetzt eintrat, war von ganz anderer Art als sonst. »Weiß Vipond darüber Bescheid?«
»Vipond schickt mich.«
»Also erwartet er, dass ich tue, was er mir sagt.«
»Hast du jemals getan, was dir gesagt wird? Heutzutage wissen wir doch alle, dass du ein Gott bist und nicht einfach ein schlecht gelaunter Schlägertyp.«
»Ich bin der Zorn Gottes, aber kein Gott. Hab ich doch schon erklärt.«
»Vipond lässt dich warnen, nichts zu tun, was jemand, der dir schaden will, von dir verlangt. Ergibt ja durchaus Sinn.« IdrisPukke seufzte. »Bitte.«
Cale hatte sich schon auf ein großartiges Abendessen gefreut, musste jedoch einsehen, dass IdrisPukke Recht hatte. Allerdings konnte er dem Essen genauso wenig fernbleiben, wie er den Sturz zum Erdboden vermeiden könnte, würde er sich vom höchsten Turm der Stadt stürzen.
NEUNUNDZWANZIGSTES KAPITEL
H
och auf wallten die Weihrauchwolken, rein erklangen die Soprane und sonor die Bässe in der Kathedrale im Herzen von Chartres, als der neue Papst Bosco XVI . auf dem uralten Felsen gekrönt wurde, auf dem der Eine Wahre Glaube erbaut worden war und ruhte. Die Krönungsgewänder in Gold, Grün, Orange, Blau, zurechtgestutzte Regenbögen der Heiligkeit. Natürlich mit Ausnahme der zwanzig Nonnen, denen man die Teilnahme gestattet hatte und die ganz in Schwarz und mit nur einem kleinen weißen Streifen um das Gesicht gekleidet waren. Aber was für Gesichter! Als sie zu ihrem Heiligen Vater aufblickten, mit einem Lächeln so voller Ekstase und so voller Inbrunst, dass es schien, als müsse jeden Moment eine weitere Aushauchung des Geistes erfolgen, wie es auch schon zum Ableben der Seligen Imelda Lambertini gekommen war, die im spirituell kostbarsten Alter von elf Jahren bei der Heiligen Kommunion an akuter Ekstase verblichen war. Übrigens hatte man den Nonnen die Hände hinter dem Rücken gefesselt, um auch nur die geringste schändliche Berührung zu unterbinden.
Aber wie hell und rein und großartig war die Begeisterung der Prälaten, Bischöfe, Kardinäle, Nuntien, Mandatsträger und Gonfaloniere! Viele waren erst jüngst ernannt worden, nachdem ihre Vorgänger dem Feuer, den Kerkern und Gräben draußen in der Wüste überantwortet worden waren und nun höchstens noch als Futter für die Füchse dienen konnten. Hier stand ihr neuer Papst, ihre große Chance, und ihre Zeit war gekommen, um persönlich mitverantwortlich zu sein, wenn das Ende aller Zeiten und die große Erneuerung eingeleitet wurden.
Stufe um Stufe stieg der neue Papst Bosco die Stufen der Verleumdung hinauf, wobei er verpflichtet war, auf jeder Stufe stehen zu bleiben, Gehorsam gelobend und um heilige Gnade winselnd,
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