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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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zurückkehrt, und auch nichts, das der Reisende bis zu seiner Abreise erfahren haben mochte. Steht alles in den Akten.«
    »Darf ich sie lesen?«
    »Du darfst nicht mit solchen Dingen besudelt werden. Andererseits spielt es keine Rolle, was du liest oder hörst, denn du bist so unbestechlich wie das Meer.«
    Darüber dachte Cale kurz nach.
    »Und der Bärtige?«
    »Guido Hooke.«
    »Ja– und?«
    »Ein Naturphilosoph. Behauptet, dass der Mond nicht vollkommen rund sei.«
    »Aber er ist rund«, sagte Cale. »Man muss ihn doch nur anschauen. Wenn Ihr Leute nur dafür töten lassen wollt, dass sie dumm sind, werdet Ihr eine Menge Scharfrichter brauchen.«
    Bosco lächelte.
    »Guido Hooke ist alles andere als dumm, er ist nur exzentrisch. Außerdem hat er bei der Sache mit dem Mond Recht.«
    Cale stieß ein verächtliches Schnauben aus. »In jeder wolkenlosen Nacht kann man eindeutig erkennen, dass der Mond rund ist.«
    »Das ist eine Illusion, die durch die Entfernung des Mondes von der Erde hervorgerufen wird. Denk doch nur einmal an den Tigerberg– aus der Ferne sehen seine Ausläufer so glatt und eben aus wie Butter, aber aus der Nähe sind sie so gefältelt und runzelig wie der Hodensack eines alten Mannes.«
    »Woher wisst Ihr das? Die Sache mit dem Mond, meine ich.«
    »Ich kann es dir heute Nacht zeigen, wenn du willst.«
    »Aber warum muss Hooke sterben, wenn er Recht hat und nur die Wahrheit verkündet?«
    »Das ist eine Frage der Autorität. Der Papst hat verfügt, dass der Mond vollkommen rund sei– er ist Ausdruck der perfekten Schöpfung Gottes. Guido Hooke hat ihm widersprochen.«
    »Dennoch sagt Ihr, dass er Recht hat.«
    »Welche Rolle spielt das schon? Er hat den Felsen angezweifelt, auf dem der Eine Wahre Glaube gründet: das Recht, das letzte Wort zu haben. Wenn ihm das erlaubt würde, musst du dir vorstellen, wohin das führt: zum Tod aller Autorität. Ohne Autorität gibt es keine Kirche, ohne Kirche gibt es keine Erlösung.« Bosco lächelte. »Hooke spricht für die geringere Wahrheit, der Papst jedoch für eine höhere.«
    »Aber Ihr glaubt doch gar nicht an die Erlösung.«
    »Deshalb muss ich Papst werden, damit das, was wahr ist, und das, was ich glaube, ein und dasselbe werden. Aber warum interessierst du dich so für die Purgatoren?«

FÜNFTES KAPITEL
     

    K
leist sang glücklich, wenn auch ziemlich falsch, vor sich hin.
Oh, the buzzin’ of the bees in the peppermint trees
’Round the soda water fountains
Where the lemonade springs and the bluebird sings
In the Big Rock Candy Mountains.
In the Big Rock Candy Mountains
The priests all quack like ducks
There’s a five cent whore at every door
At dinner there is always more
And never was heard a discouraging word
In the Big Rock Candy Mountains.
    Er griff beiläufig nach unten, um zu überprüfen, ob das Messer noch in der Satteltasche steckte, und grölte dann weiter, ohne allzu sehr auf die Melodie zu achten.
    Plötzlich jagte er davon, zog das Messer heraus und rannte auf ein dichtes Brombeergesträuch zu. Er sprang mitten hinein, wobei er die eigene Geschwindigkeit und sein Gewicht für einen möglichst weiten Sprung nutzte. Dornen kratzten über seine Haut, als er sich weiter vorarbeitete. Doch das Gewirr der Schösslinge war dichter als erwartet, und die älteren Triebe in der Mitte des Gesträuchs waren nicht nur zäh, sondern hatten auch mehr und schärfere Dornen. Kleists reichlich unbesonnenes Vorwärtsstürmen kam zu einem schmerzhaften Halt.
    Kräftige Hände packten ihn an den Knöcheln und zerrten ihn rückwärts aus dem Brombeergestrüpp. Sie mussten sehr kräftig zerren, und Kleist blieben nur wenige Sekunden, um sich zu entscheiden. Er ließ das Messer ins Gestrüpp fallen, dann wurde er auch schon herausgezerrt.
    Weitere Hände packten ihn an den Handgelenken, während er um sich kickte und sich den Händen zu entwinden versuchte. Als sie ihn endlich zu fassen bekamen, wurde ihm klar, dass weitere Gegenwehr sinnlos war.
    Ein Mann trat vor ihn; seine Gesichtszüge lagen im Schatten der Sonne, die Kleist direkt ins Gesicht schien.
    »Wir werden dich durchsuchen, also keine falsche Bewegung. Irgendwelche Waffen?«
    »Nein.«
    Zwei Hände durchsuchten ihn schnell und geübt.
    »Gut. Hättest du uns angelogen, wäre es dein letztes Wort gewesen. Helft ihm auf die Beine.«
    Kleist wurde grob in eine Sitzposition gestoßen. Alle vier Männer hatten Messer und Schwerter gezückt; jetzt ließen sie ihn in disziplinierter

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