Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
Ordnung nacheinander los. Diese Leute wussten, was sie taten.
»Wie heißt du?«
»Thomas Cale.«
»Was hast du hier draußen ganz allein zu suchen?«
»Ich war auf dem Weg zum Posten von Moresby.« Ein kräftiger Schlag landete auf der linken Seite seines Kopfes.
»Sag ›Lord Dunbar‹, wenn du mit Lord Dunbar redest.«
»In Ordnung, aber woher hätte ich das wissen sollen?«
Ein weiterer Schlag mahnte ihn, nicht vorlaut zu werden.
»Was willst du dort?«, fragte Lord Dunbar.
Kleist schaute ihn an. Dunbar war ein schmuddeliger, ungepflegter Mann und trug schlecht sitzende, karierte Kleider. Er sah überhaupt nicht wie irgendein Lord aus.
»Ich will auf ein Schiff und so weit weg wie möglich.«
»Warum?«
»Beim Massaker am Mount Nugent haben die Erlöser meine ganze Familie ausgelöscht. Als sie Memphis einnahmen, wurde mir klar, dass ich irgendwohin verschwinden muss, damit ich nie mehr einen von ihnen zu sehen bekomme.« Das stimmte wenigstens ungefähr zur Hälfte.
»Woher hast du das Pferd?«
»Es gehört mir.«
Wieder ein Schlag auf den Kopf.
»Ich habe es eingefangen. Wahrscheinlich streunt es seit der Schlacht am Silbury Hill herum.«
»Davon habe ich gehört.«
»Vielleicht würden uns die Erlöser ein Lösegeld für dich zahlen«, meinte Lord Dunbar.
»Vielleicht würden sie dich aufknüpfen, wenn du sie danach fragst«, sagte Kleist und wurde mit einer weiteren Kopfnuss belohnt.
»Lord Dunbar!«
»Gut, schon gut. Lord Dunbar.«
»Handsome Johnny, durchsuch seine Satteltaschen«, befahl Dunbar. Er ging neben Kleist in die Hocke. »Wonach suchen diese Erlöser eigentlich?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass sie ein Haufen mörderischer Hunde sind, Lord Dunbar, und dass es am besten ist, ihnen so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen.«
»Die Materazzi haben es in zwanzig Jahren nicht geschafft, uns gefangen zu nehmen«, erwiderte Lord Dunbar. »Uns ist es ziemlich egal, wer uns jagt.«
Johnny warf Kleists Besitztümer auf den Boden. Es war keine schlechte Beute. Kleist hatte zwar aus Memphis nur das Allernötigste mitgenommen, aber darauf geachtet, dass alles von bester Qualität war: Schwerter aus portugiesischem Stahl mit Intarsien am Griff, eine Decke aus Kaschmirwolle und so weiter, ferner Geld– achtzig Dollar in einem Seidenbeutel. Der Anblick verbesserte die Laune der fünf Männer beträchtlich. Trotz Dunbars Prahlerei schienen ihre eigenen Raubzüge recht magere Beute einzubringen, soweit es Kleist nach ihren Kleidern und ihrem verwahrlosten Zustand einschätzen konnte.
»Also gut«, sagte Kleist. »Ihr habt alles, was ich besitze. Es ist ein ziemlich guter Fang für euch. Lasst mich jetzt laufen.«
Wieder ein Schlag.
»Lord Dunbar.«
»Wir sollten den frechen Bastard einfach kaltmachen.«
Diese Bemerkung gefiel Kleist gar nicht.
»Ich könnte ihn dort hinten erledigen«, schlug Johnny vor. »Spart uns eine Menge Probleme.«
Lord Dunbar starrte ihn wütend an.
»Ich weiß genau, welche Schweinereien du mit ihm vorhast«, brüllte er. Er blickte Kleist an. »Steh auf.« Kleist rappelte sich auf die Füße. »Gib uns deine Jacke.« Kleist zog seinen Kurzmantel aus, den er von einem Kleiderhaken in Viponds Vorzimmer hatte mitgehen lassen, weiches Leder und einfach, aber perfekt geschnitten.
»Du hast mich angelogen, und das gefällt mir an dir«, sagte Dunbar, während er die Jacke bewunderte und zutiefst bedauerte, dass sie zu klein für ihn war. »Aber mit dem fairen Handel hast du Recht.« Er wies auf einen steinigen Pfad. »Der Weg führt aus den Wäldern hinaus. Danach bist du auf dich selbst gestellt. Und jetzt verschwinde!«
Das musste er Kleist nicht zweimal sagen. Als er an Handsome Johnny vorbeiging, bedachte der ihn mit einem lüsternen Blick. Kleist verschwand im Wald. Er besaß nichts mehr außer der Hälfte der Kleider, die er vor fünf Minuten noch getragen hatte.
»Diese dreihundert Männer wurden wegen ihrer großartigen Fähigkeiten sorgfältig ausgewählt. Sie waren dir wie mit eisernen Ketten zur Treue verpflichtet. Eine solche Truppe kannst du nicht einfach durch diese degenerierten Verbrecher im Haus für Sonderbehandlungen ersetzen.«
»Mit welchen Männern sollen wir die Elitetruppe denn sonst ersetzen? Haben wir dafür zehn Jahre Zeit?«
Bosco achtete genau auf alles, was Cale sagte oder tat, und so fiel ihm auch sofort auf, dass Cale zum ersten Mal von einem wir gesprochen hatte. Es gefiel ihm. Dass er trotzdem noch immer
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