Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
versuchte, sich selbst etwas anderes vorzumachen, war verständlich.
»Nein, haben wir nicht.«
»Gibt es irgendwelche Akten?«
»Ja, über jeden Erlösermönch gibt es einen Führungsbericht. Darin ist alles über ihn verzeichnet.«
»Gibt es auch über Euch einen solchen Bericht?«
»Natürlich.«
»Den würde ich gerne einmal lesen.«
»Deine Idee wird nicht funktionieren.«
»Sie wird vielleicht nicht funktionieren. Die Männer stehen kurz vor dem Tod, danach blüht ihnen das ewige Höllenfeuer, in dem sie von den Teufeln jeden Tag mit einem Spaten ausgeweidet werden oder bei lebendigem Leibe verschluckt und in alle Ewigkeit wieder ausgeschissen werden. Wenn ich sie vor diesem Schicksal bewahren kann, dann wird das die Kette aus Stahl sein, die sie auf ewig an mich binden wird.«
»Es sind Abtrünnige. Abschaum. Würmer. Maden.«
»Wenn sie nicht spuren, schicke ich sie hierher zurück zur Hinrichtung. Es sind gut ausgebildete Männer, die von allen anderen verstoßen wurden. Zumindest könntet Ihr mir ihre Führungsberichte zu lesen geben.« Cale lächelte, zum ersten Mal seit sehr langer Zeit. »Ich glaube Euch nicht, dass Ihr mir nicht zustimmt.«
»Nun gut. Wir werden beide die Berichte lesen. Dann sehen wir weiter.«
»Erzählt mir von Guido Hooke.«
Es klopfte an der Tür, die sofort geöffnet wurde. Ein Bruder trat ein, der Bosco unterwürfig zunickte und eine dicke Aktenschachtel auf den Tisch legte. Sie war mit dem Wort » INTRO « beschriftet. Der Mann nickte ihnen zum Abschied zu und ging.
»Hooke«, sagte Bosco, »ist für mich ein großes Ärgernis und für dich nicht wichtig.«
»Ich will mehr über ihn wissen.«
»Warum?«
»Es ist nur eine Art Eingebung. Außerdem dachte ich, dass ich doch alles erfahren dürfte?«
»Alles? Du siehst hier die Akten, die Notil soeben brachte. Das ist der Papierkram eines einzigen Tages– und es war kein sehr ereignisreicher Tag. Beschäftige dich mit Dingen, von denen du etwas verstehst.«
»Erzählt mir von ihm.«
»Nun gut. Hooke ist ein Besserwisser und glaubt, man könne die Welt nur durch Mathematik begreifen. Er erfindet großartige Maschinen. Er ist brillant und gehört zu den Brillantesten, aber dann steckte er die Nase in gewisse Angelegenheiten, und es wäre besser für ihn gewesen, wenn er das nicht getan hätte. Ich habe ihn meistens in Ruhe gelassen, weil ich seinen Verstand bewundere, und das nun schon seit zehn Jahren. Aber als er seine Meinung über den Mond öffentlich vortrug, widersprach er direkt dem Papst. Ich warnte ihn, er solle fliehen, und schlug vor, dass er zur Hanse gehen solle, die vielleicht Arbeit für ihn hätte. Während ich in Memphis war, ging er nach Fray Bentos, um sich einzuschiffen, aber noch während er in einer Herberge auf die Einschiffung wartete, wurde er von Gants Männern gefasst.«
»Warum brachten sie ihn nicht nach Stuttgart?«
»Weil er in Stuttgart nicht mehr unter meiner Verantwortung stünde. Jetzt bin ich gezwungen, ihn zu einem Glaubensakt zu machen. Sonst würde man mir vorwerfen, die Lehrsätze des Papstes zu leugnen.«
»Aber Ihr sagt doch selbst, dass der Papst sich irrt.«
»Jetzt bist du wohl absichtlich schwer von Begriff.«
»Welche Art Maschinen?«
»Gotteslästerliche Maschinen.«
»Warum?«
»Maschinen, um zu fliegen– wenn Gott gewollt hätte, dass wir fliegen, hätte er uns Flügel wachsen lassen. Ein mit einer Rüstung verkleideter Wagen– wenn Gott gewollt hätte, dass wir unter einem Panzer herumlaufen, hätte er uns als Schildkröten erschaffen müssen. Und soweit ich weiß, sogar eine Maschine, um Sonnenlicht aus Gurken zu gewinnen. Die meisten seiner Zeichnungen sind reine Phantasiegebilde. Seine Idee für ein libellenähnliches Fluggerät ist reiner Mist. Das Ding sieht nicht so aus, als könne es sich auch nur auf der Erde fortbewegen, vom Fliegen ganz zu schweigen. Aber einen seiner Entwürfe habe ich für den Bau eines Wehrs im Ostkanal benutzt.«
»Wenn Gott gewollt hätte, dass es Wehre gibt, hätte er dann nicht dafür gesorgt, dass das Wasser aufwärtsfließt?«
Bosco ging auf die Stichelei nicht ein. »Wenn du mehr über ihn erfahren willst, lies seine Akte. Aber er ist so gut wie tot, ob du sie liest oder nicht.«
Kleist musste sich bis zum nächsten Tag verstecken und erst als Lord Dunbar und seine Männer weiterritten, traute er sich hervor, um den Dolch zu holen, den er im Brombeergestrüpp hatte fallen lassen. Er dachte gründlich darüber nach,
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