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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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für die Umgebung vollkommen ausgesetzt hatte, bis der dünne Mond für kurze Zeit hinter einer Wolke hervortrat und die Silhouette eines Baums in der Ferne oder die Umrisse des Tafelbergs sichtbar machte. So sehr hatte sich die Schwärze der Nacht über ihre Sinne gelegt, dass sie nur in diesen kurzen Augenblicken erkannten, ob sich etwas wenige Schritte vor ihnen oder in größerer Entfernung befand, und oftmals befand es sich keineswegs dort, wo sie es vermutet hatten. Ein abgestorbener, ausgebleichter Baumstumpf draußen in der Prärie, den das spärliche Mondlicht kurz geisterhaft weiß aufleuchten ließ, schien Cale irgendwo über ihm in der Luft zu schweben, obwohl er wusste, dass der Baum mitten auf der Ebene in fast einer Meile Entfernung stand. Mit derart verwirrten und angespannten Sinnen sollte man nicht darauf warten, dass sich die Feinde mit Mordabsichten im Herzen anschlichen. Im Dunkeln wurde das Veldt selbst für Männer mit guten Nerven zu einem unversöhnlichen Feind, der höhnisch darauf lauerte, dass man es irgendwann nicht mehr aushielt und sich aus dem Versteck wagte. Ein wilder Hund oder ein Reh wirkten dann plötzlich doppelt so groß und zweimal so schnell wie in Wirklichkeit. Das Geräusch eines im Unterholz herumschnüffelnden Igels erschien fast so laut wie das Fauchen eines Löwen kurz vor dem Sprung. Und dieses kriechende, krabbelnde Ding, das direkt vor dem Schützengraben zu hören war– war nicht vielleicht sein Biss oder sein Stachel tödlich? Die Nacht war ein unangenehmer Alchemist der gewöhnlichen Dinge, denn sie ließ aus einem Gebüsch eine Gestalt werden, die dich angreifen und töten konnte, solltest du auch nur zu laut atmen. Und noch schlimmer würde das alles, solltest du versuchen zu fliehen. Man mag sich kaum vorstellen, wie man sich unter diesen Umständen überhaupt von der Stelle bewegen könnte. Und weil auch jedes Zeitgefühl schwindet, kämen einem vier oder fünf Minuten wie zwei Stunden vor. Seltsame Gedanken quälen dich. Was wäre, wenn die Sonne nicht mehr aufginge? Gedanken, die dir normalerweise nie kommen würden, erscheinen dir in einer solchen Nacht plötzlich möglich. »Nie mehr soll die Sonne den Morgen sehen«, ein Satz, den Cale einmal den Kanzler Vipond aus irgendeinem Buch hatte zitieren hören, kam ihm jetzt immer wieder in den Sinn. »Nie mehr soll die Sonne den Morgen sehen.«
    Dann plötzlich war ein Lichtblitz zu sehen, anscheinend irgendwo hoch in den Wolken. Dann noch einmal. Es waren Feuerpfeile, die Gil in die Luft schickte, um das Flussufer zu beleuchten– einer nach dem anderen, wunderschön eingefasst in die Form des Flussverlaufs. Nach dem siebten oder achten Feuerpfeil hörte Cale Schreie. Die Pfeile hatten Folksoldaten getroffen, die nun an den steilen Uferböschungen in der Falle saßen. Zwar konnte man die Breitseiten von nicht angezündeten Pfeilen nicht sehen, die nun auf die angreifenden Folktruppen hinuntergingen, aber die Angreifer hatten an dieser Stelle wenig Deckung und konnten auch nicht einfach vorwärtsstürmen, um die Purgatoren zu überrennen, weil Cale mehrere hintereinander stehende Palisadenreihen aus Dornenbäumen und scharf zugespitzten Stangen quer durch den Fluss hatte aufstellen lassen.
    Es dauerte nicht sehr lange, jedenfalls kam es Cale nicht so vor. Allerdings trat dazwischen eine kurze Pause ein, als sich die Angreifer für eine zweite Attacke sammelten. Sie dauerte noch kürzer als die erste. Dann nichts mehr, bis die ersten Streifen eines wunderbaren rosenroten Morgens am Horizont zu sehen waren.
    Nach diesem zarten Beginn erschien die Sonne fast wie ein Donnerschlag über dem Horizont, und gegen sieben Uhr war es bereits sehr heiß. Unten am Flussufer, jedenfalls auf der entfernten Seite, zählte Cale dreiunddreißig Tote oder Sterbende. Am diesseitigen Ufer mochten es noch einmal halb so viele sein. Ein paar Folksoldaten versuchten, am Fluss entlang zurückzukriechen, aber sie bewegten sich sehr langsam.
    Einer der Verwundeten kam allerdings recht gut vorwärts, bis ein Pfeil der Purgatoren so schnell wie ein Reiher hervorschoss und den Mann traf.
    »Höchste Zeit, dass sie ein wenig Mitleid zeigen«, sagte Guido Hooke grimmig. »Niemand sollte unter der Sonne so langsam sterben müssen.«
    Cale lachte.
    »Habe ich etwas gesagt, das Euch amüsiert, Meister Cale?«
    »Wenn sie den armen Hund aus seinem Elend erlösten, dann war das eher ein Zufall. Vermutlich wollten sie ihn noch mehr verwunden, um

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