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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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sich siebzig Bogenschützen versteckt hielten. Dann blieben die Folksoldaten plötzlich stehen, offenbar hatte etwas ihr Misstrauen erregt.
    »Scheiße!«, fluchte Cale. Sie wandten sich plötzlich um und stoben auseinander; gleichzeitig stieg ein stiller Schwarm von Pfeilen in die Luft, flog in majestätischem Bogen heran und regnete auf die Späher hinab. Mit einer Ausnahme flogen alle Späher von ihren Pferden. Der Überlebende galoppierte in südlicher Richtung davon, verfolgt von etwa dreißig Pfeilen. Cale schnaubte gereizt. Einem einzelnen Soldaten so viele Pfeile hinterherzuschicken war reine Verschwendung, selbst wenn sie eine Chance gehabt hätten, ein so schnell fliehendes Ziel zu treffen. Offenbar kam Gil derselbe Gedanke, denn Cale hörte ihn undeutlich brüllen, die Schüsse einzustellen. Gil war vernünftig genug einzusehen, dass die Folk jetzt keine weiteren Überraschungen mehr versuchen und auch keine kleinen Trupps von fünfzehn Soldaten mehr losschicken würden, die ein leichtes Ziel boten.
    Eine halbe Stunde später schoss ein dicker Mörserpfeil fast senkrecht in die Luft. Er kam hinter einer Böschung hervor, die sich nur ungefähr hundert Fuß unterhalb des Tafelbergs befand, und landete etwa zehn Schritt von dem Graben entfernt, in dem die mit Präriegras ausgestopften Erlöserkutten standen. Beim dritten Schuss hatten die Mörserpfeile ihr Ziel gefunden, und in der folgenden Stunde prasselte ein heftiges Sperrfeuer von Pfeilen und gleichermaßen mörderischen Bolzen auf die Gräben hinunter. Die Idee mit den Vogelscheuchen-Erlösern hatte der Scharfschütze gehabt, dem Cale dafür die beleidigende Beförderung hatte angedeihen lassen. Und der Einfall war über alle Maßen erfolgreich. Nicht nur hatten die Folk eine ungeheure Menge Mörserpfeile sinnlos verschossen, sondern es war auch klar, dass sie die Täuschung überhaupt noch nicht bemerkt hatten. Offenbar waren sie nach wie vor überzeugt, wenn auch aus gutem Grund, dass die Erlöser nach wie vor der alten miserablen Taktik folgten wie bei der letzten Verteidigung des Drift und auch bei anderen Gelegenheiten im Veldt. Nun krochen sie in großer Zahl an der Südseite des Hügels hinauf, um die höher gelegenen Stellen zu besetzen und von dort auf die Männer am Flussufer hinunterzuschießen, die beim ersten Angriff so viele Folk ausgeschaltet hatten. Währenddessen entdeckte Cale zwei Gruppen von ungefähr je hundert Mann, die nach Osten und Westen davongaloppierten. Cale vermutete, dass sie ein Stück weit entfernt zu den beiden Seiten des Flussufers gelangen wollten. Sie würden dann am Ufer entlang von beiden Seiten wieder anrücken und sich in der Nacht näher an die Bogenschützen anschleichen. Er zögerte, seine eigene Stellung zu verraten, aber dann befahl er trotzdem einem der Erlösermönche, sich an der Westseite des U hinunterzuschleichen und einen stumpfen Pfeil mit einer Mitteilung abzuschießen, damit jedoch zu warten, bis das Tageslicht so schwach war, dass die Folk den Pfeil nicht sehen würden.
    Während des restlichen Tages kam es zu einer Reihe kleinerer Scharmützel, durch die die Folk eine Reaktion des Feindes zu provozieren versuchten, um herauszufinden, wo sich die Erlöser versteckt hielten und wie zahlreich die Verteidiger waren. Aber die Kriegermönche waren nicht unerfahren, auch wenn sie mit dieser Art der informellen Kriegsführung nicht vertraut waren– und Gil hatte sie offenbar unter Kontrolle, wie man seinen gelegentlich zu hörenden, wenngleich nicht zu verstehenden Befehlen entnehmen konnte. Cale hatte außerdem befohlen, zwischen den Einschnitten am entfernt liegenden Flussufer Durchgänge zu graben, sodass sich die Verteidiger relativ leicht am größten Teil des Flussufers entlangbewegen konnten. Auf diese Weise täuschten sie eine viel größere Zahl vor, als es tatsächlich der Fall war. Mit einigem Glück würden die Folk denken, der Fluss würde so gut verteidigt, dass sie von einem Angriff in der Nacht am Ufer entlang absehen würden.
    In dieser Nacht stand der Mond nur als sehr schmale Sichel am Himmel; sein Licht war sehr schwach und wurde immer wieder durch Wolken verhüllt. In dieser Dunkelheit warten zu müssen bedeutete für die Männer eine große Anspannung. Die fast schwarze Nacht umgab sie nicht nur, sondern schien sich auch über ihr Gemüt zu legen, sodass sie bald nicht mehr unterscheiden konnten, ob sie sich im Innern eines Gebäudes oder im Freien befanden, weil jedes Empfinden

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