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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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hatten jeden Mut verloren, als ihr Prediger gefallen war. Während sie den Rückzug antraten, prasselte erneut ein Pfeilhagel auf sie nieder. Die Purgatoren setzten ihnen nach. Das Leben der restlichen Folkkrieger war nun höchstens noch in Minuten zu messen. Die Einzelheiten der Schlächterei, die nun folgte, hätte Prediger Viljoen nicht einmal in den eindringlichsten Schilderungen aller Höllenqualen so lebhaft beschreiben können. Schon begannen die Fliegen in den Mündern der Toten und Sterbenden ihre Eier zu legen.
    Und so kam es, dass sich auf einem miesen kleinen Hügel durch einen Kampf zwischen weniger als zweihundert Männern der Lauf der Geschichte einer ganzen Welt grundlegend veränderte, eines Hügels übrigens, der nicht einmal einen eigenen Namen hatte, bis er zum Sprichwort für die bittere Niederlage der Folkkrieger wurde. Und alles dauerte gerade mal so lange, wie man braucht, um ein Ei hart zu kochen.
    Von da an wurde die Lage der Folksoldaten immer schlimmer. Cale war nicht der Einzige, dem am Drift ein Fehler unterlaufen war. Der Heerführer der Folk, der die Sache von seinem Kommandoposten im Westen verfolgte, konnte zwar den von Cale angeführten Angriff nicht sehen, wohl aber den Beginn des Entlastungsangriffs der Erlösermönche hügelabwärts, den der Zentenar anordnete, als die Sache fast schon vorbei war. Die letzte Information hatte gelautet, dass die Folkkrieger sich sammelten, um den Hügel zu erstürmen, und dass ein Sieg so gut wie sicher sei. Die Kriegermönche, die der Kommandant sehen konnte, hetzten über den Erdhügel und verschwanden aus dem Blickfeld, und soweit er es einschätzen konnte, versuchten sie verzweifelt, eine bereits verlorene Stellung wieder einzunehmen. Im Bestreben, den Vorteil auszunutzen, der sich ihm durch diesen seiner Meinung nach verheerenden Fehler der Erlöser bot, befahl er seinen Truppen, den Fluss vor dem Hügel zu durchqueren und den Drift von innerhalb der U-förmigen Flussbiegung aus anzugreifen. Doch als der Zentenar seine Truppen zurückrief und Cale eine neue Verteidigungslinie weiter unten am Hügel errichtete, sahen sich die angreifenden Folksoldaten plötzlich noch stärkeren Erlösertruppen gegenüber. Schwärme von Bolzen und Pfeilen schossen vom Hügel herab, den sie bereits in ihren Händen geglaubt hatten, und erwischten die Soldaten von hinten und von hoch oben, von wo die Schützen sehr genau zielen konnten. Auch die wenigen Folkkrieger, die sich in die Gräben mit den ausgestopften Erlöserkutten zu retten versuchten, überlebten nicht lange. Aus Erdstellungen heraus zu kämpfen war eine der Stärken des Erlöserheeres. Den Folksoldaten wurde dieselbe Barmherzigkeit gewährt, die sie selbst gewöhnlich besiegten Feinden angedeihen ließen: keine.
    Nach diesen schweren Verlusten und schockiert durch die seltsamen und ungewohnten Kampftaktiken der Erlösermönche zogen sich die Folktruppen zurück. Sie versuchten nur noch, die auf der Schulter des Tafelbergs stationierten Pfeilhagelgeschütze einzusetzen, um ihren Rückzug zu decken. Das war der Augenblick, in dem die von Cale auf dem Tafelberg positionierten Scharfschützen endlich ins Spiel kamen. Sie konnten nun aus einer völlig sicheren Position heraus agieren und schalteten ungefähr die Hälfte der Folkartilleristen aus, bis diesen klar wurde, dass sie sich weder verteidigen noch die Mörser in Sicherheit bringen konnten. Sie ließen die Geschütze zurück und setzten sich zum Rest des fliehenden Folkheeres ab.
    Cale hatte an diesem Tag alles richtig eingeschätzt, mit Ausnahme des einen Fehlers, der sein eigenes brillantes und mutiges Eingreifen völlig unnötig gemacht hätte, wäre er nicht begangen worden. Für ihn war das eine Lektion gewesen, aber welcher Art, hätte er nicht genau sagen können– vielleicht, dass man nie einen Fehler begehen dürfe. Er stieg auf die Hügelkuppe hinauf, wo Gil ihn erwartete. Jubel und Rufe »Gott schütze dich« schallten ihm aus allen Richtungen von den Männern entgegen, die er einmal verachtet hatte, für die er aber heute sein eigenes Leben hatte riskieren müssen und die doch vollständig von ihm abhängig waren– und, wie ihm erst jetzt bewusst wurde, auch er von ihnen.
    Gil verneigte sich leicht, aber auf eine Weise, in der Cale eine grundlegende Veränderung ihm gegenüber wahrnahm.
    »Ihr habt heute die höchste Achtung der Männer erworben. Denn Männern, selbst entehrten Männern, fällt es schwer, jemanden nicht zu lieben,

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