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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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der sie zweimal rettete.«
    »Nun gut, aber die ganze Sache stand auf der Kippe.« Cale stieg in den Schützengraben und blickte von hier aus hügelabwärts. Er hatte diese Stelle vom Pferderücken aus gewählt, mehrere Fuß hoch über dem Boden, von wo aus er einen ungehinderten Blick über den gesamten Abhang gehabt hatte. Aus Bodenhöhe betrachtet trat jedoch die Böschung mitten im Schussfeld deutlich hervor. Sie bot gute Deckung gegen Bolzen und Pfeile, um bis auf ungefähr zwanzig Schritt an den Schützengraben heranzukommen. Cale staunte über seine eigene Dummheit. Wie war etwas so Törichtes möglich, obwohl er doch in allen anderen Dingen Recht behalten hatte?
    »Sie verdienen eine Entschuldigung«, sagte Cale zu Gil, und trotz seiner Abscheu gegenüber den Purgatoren war es ihm Ernst damit.
    »Haltet bloß den Mund!«, entfuhr es Gil heftig, er fügte jedoch noch erschrocken ein »Herr!« an.
    »Aber sie können meinen Fehler klar erkennen!«
    »Sie können erkennen, dass Ihr das Schlachtfeld so vorbereitet habt, dass sie eine Chance zu überleben hatten, und dass Ihr selbst ihnen zu Hilfe kamt, als sich die Lage verschlimmerte. Es ist schon eine geraume Weile her, seit diese Bande überhaupt irgendeinen Sieg errungen hat. Heute haben sie gesiegt. Sie gehören Euch. Ihr habt einen Fehler gemacht, aber Ihr habt ihn sofort zurechtgerückt. Was mehr könnte man von einem General erwarten?«
    »Ich kann mich nicht erinnern, dich auf dem Drillplatz der Märtyrer jemals so nachsichtig erlebt zu haben.«
    »Scharfer Schliff schafft scharfe Schneide.«
    »Das war damals also alles nur zu meinem Nutzen?«
    »Ihr seid am Leben. Ihr habt gesiegt. Also war es wohl so.«
    »Ich habe Späher ausgesandt, um sicherzugehen, dass die Folk nicht auf Umwegen zurückkommen. Lass sie dir Bericht erstatten.«
    »Nein. Sie müssen Euch persönlich berichten.«
    »Nein, dir.«
    Doch zehn Minuten später war es Cale, der auf einen Felsbrocken mitten im U der Flussbiegung stieg und sich bemühte, bei seiner Ansprache weder Hass noch Verachtung für die Purgatoren durchscheinen zu lassen. Aber sie brauchten nicht viel Zuspruch. Cale hatte sein Leben für sie riskiert und sie praktisch vor dem Tod errettet.
    Inzwischen war auch Hooke vom Hügel heruntergestiegen und verfolgte den Jubel der Kriegermönche, deren geballte Sehnsüchte einem Jungen galten, der Thomas Cale hieß und der nichts weiter als ein unbeschriebenes Blatt war. Doch Hooke bemerkte, dass dieser Junge von der Verehrung keineswegs begeistert war. Übellaunig wandte sich Cale an Hooke und befahl ihm, die Wurfmaschinen zu untersuchen, die inzwischen vom Berg herangeschafft worden waren. In einer Stunde erwarte er einen Bericht. Hooke nickte spöttisch.
    »An Eurer Stelle würde ich mir über die Loyalität von Leuten, die mich hassen, keine Sorge machen, Meister Cale«, sagte Hooke. »Es gibt schließlich sehr unterschiedliche Formen von Loyalität. Da wäre zum Beispiel die Loyalität, die ein Schweinebauer seinem Schwein gegenüber empfindet.« Die Bemerkung brachte Cale zum Schweigen, und Hooke wandte sich ab, um sich die Mörser anzuschauen.
    Eine Stunde später erstattete er Cale Bericht. Er hatte einen großen Bolzen von etwa drei Fuß Länge mitgebracht. Um den Schaft waren zwölf kleinere Pfeile sorgfältig festgebunden.
    »Die Schnüre bestehen aus Hanf, der mit Gummi verflochten wurde. Wisst Ihr, was Gummi ist?«
    »Nein.«
    »Überrascht mich nicht. Condominius versuchte einmal, die Sache dem Papst in Avignon zu erklären, aber dort ließ man ihn wegen Hexerei festnehmen, denn es kam ihnen unnatürlich vor, dass Gummi das Wasser abstößt.«
    »Was hat das mit den Schnüren an den Bolzen zu tun?«, wollte Cale wissen.
    »Eigentlich nichts. Aber Gummi ist auch dehnbar.« Hooke nahm ein Stück Schnur und zog daran. Es streckte sich ein wenig, nicht viel, aber doch genug, um zu beweisen, dass es stimmte.
    »Wird der Bolzen nun von einem Mörser abgefeuert, wird die Gummischnur durch eine Leine aus Katzendarm gelöst, die am Bolzen befestigt ist. Sie wickelt sich, soweit ich sehen konnte, innerhalb von fünf Sekunden auf. Dann lösen sich die Pfeile vom Bolzen und fallen mit ihm auf die Erde. Die Sache ist zwar noch ein bisschen komplizierter, aber so funktioniert sie im Prinzip.«
    »Könnt Ihr es nachbauen?«
    »Ich sehe kein Problem…«
    »Dann tut es.«
    »Mit einer Ausnahme.«
    »Was?«
    »Es ist keine technische Frage, sondern eine theologische. Der Papst

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