Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
dieser Methode der Tod barmherzigerweise sofort ein, doch entsetzten sich die Kameraden des Gefallenen so sehr darüber, dass ihnen aller Mut abhandenkam. Der nächste Erlöser empfing einen üblen Spatenstoß direkt ins Gesicht– ihm wurden Zähne und Kiefer gespalten und die Zunge durchgetrennt. Auch die nächsten Schläge verliefen nicht glimpflicher, doch nun hatte sich die Lücke geöffnet, und der Prediger hieb weiter heftig um sich, nicht wie ein Bulle oder ein Bär, sondern eben wie ein Pastor, dem von Gott höchstpersönlich befohlen worden war, den siebten Kreis der Hölle gründlich auszumisten. Cale war nach links ausgewichen. Er wusste, dass sich hier Gott und Natur in heiliger Gewalt verschworen hatten und diesen Mann derart beseelten, dass er zu einem wahren Hurrikan wurde.
Laut aufbrüllend vor Wut und Stolz hieb der Prediger weiter um sich– hinter ihm drängten die Folksoldaten voran, im Herzen durch sein Beispiel ermutigt. Der Spaten biss wie ein Hund um sich, Hände, Arme, Schenkel wurden aufgeschlitzt, Rippen durchtrennt, Eingeweide quollen heraus, und Leber spritzte in den Dreck. Nicht einmal Tiere starben so grausam. Und immer noch drängte er weiter voran, die Folksoldaten dicht hinter sich, während Cale hinter den entsetzten Purgatoren Deckung suchte. Dann kam der Augenblick, in dem alles auf der Kippe stand: der Moment, in dem er an der Weggabelung stand, in dem zwei Schicksale riefen, in dem der Sieg verlockend winkte und die Niederlage ihm lächelnd zunickte. Und in diesem Augenblick beging der Prediger seinen Fehler: Noch während er Gott anrief, trafen sich seine und Cales Blicke, und die Eitelkeit kostete ihn das Leben– Cales Eitelkeit wie auch seine eigene, als der Prediger Cale kurz abschätzte und ihn als bloßen Jüngling einstufte. Er wandte sich ab, als ein Kurzspeer an ihm vorbeizischte und sich in die Ferse eines bereits fliehenden Purgators bohrte. Cale zog den Speer wie ein Gottesgeschenk aus dem Fuß des armen Kämpfers. Als der Prediger einem Purgator, der sich, statt zu fliehen, dem Kampf gestellt hatte, den Bauch aufschlitzte, hob Cale den Speer über die Schulter, trat zwei Schritte vor und schleuderte ihn auf den Prediger. Noch nie hatte die Welt einen so anmutigen, Kraft und Eleganz in absoluter Perfektion vereinigenden Speerwurf gesehen. Keine Schlange vermochte mit solch zielsicherem Instinkt zuzubeißen. Der Speer bohrte sich knapp oberhalb der Leistenbeuge in den Unterleib des Predigers. Er durchtrennte die Blase, zerschmetterte den Beckenknochen und drang durch eine Hinterbacke wieder heraus. Der Prediger brüllte vor Zorn und Schmerzen und stürzte zu Boden, wo sich Blut und Urin in den Sand ergossen, wie Wein und Wasser, die dampfend versickerten. Cale würde sich sein ganzes Leben lang daran erinnern. Und nun brüllte auch er und zwang seine Männer vorwärts, doch schon stürmten zwei Folksoldaten auf ihn ein, die ihren Prediger durch die Hand eines Jungen hatten sterben sehen und nun von Rachegelüsten überwältigt wurden. Aber nur einer drang bis zu ihm vor, der andere wurde von den Purgatoren ausgeschaltet, deren Mut plötzlich wieder aufloderte. Doch der zweite Mann schlug zu– der Schlag hätte Cale in zwei Hälften gespalten, hätte er ihn tatsächlich getroffen. Aber Cale, der innerlich immer kälter wurde, hatte den Gegner wie einen Mann beobachtet, der sich mit Kindern einen spielerischen Faustkampf lieferte: die Hiebe des Gegners kamen ungeschickt, langsam und schwerfällig. Aber inzwischen hatten die Bogenschützen wieder in den Kampf eingegriffen– ein Pfeil flog so dicht an Cale vorbei, dass dessen Aufmerksamkeit für einen kurzen Augenblick abgelenkt wurde. Das Lärmen und Schreien, das Todeskeuchen und Waffenklirren brachte ihn wieder auf die Erde zurück, und alle Anmut wich aus seinen Bewegungen. Der Gegner sah, dass Cale zu wanken begann, und fühlte sich ermutigt, ihn durch Kicktritte umzuwerfen. Er verfehlte sein Ziel, doch Cale trat seinerseits gegen das Standbein des Folkkämpfers, packte ihn an der Hüfte und rang ihn zu Boden. Obwohl es kaum eine Sekunde gedauert hätte, ließ sich Cale viel Zeit, um den Gegner so weit zurückzubiegen, dass er nach seinem Messer greifen konnte. Stöhnend und keuchend kämpften sie eine Weile miteinander, bis Cale plötzlich sein Gewicht verlagerte, einen Arm frei bekam und zustoßen konnte. Durch den Körper des Folksoldaten lief ein heftiges Zittern. Cale stand auf und blickte sich um. Die Folk
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