Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
Daligar wurden sie als Deserteure gesucht, aber vielleicht, wenn sie Rankstrail zu Hilfe rufen konnten, würde er ihre Leute retten, ihre Kinder und Familien.
Ihnen genügte es, wenn sie Rankstrail benachrichtigten, auch wenn es sie das Leben kosten sollte, egal. Nur, es war ihnen nicht gelungen. Zu den Wachsoldaten am Tor hatten sie gesagt, sie kämen aus Varil und wollten den Söldnerhauptmann sprechen. Die Soldaten hatten auf sie geschossen.
»Hat man euch denn erkannt?«, fragte Yorsh, der an der mangelnden Vernunft, Logik und Berechenbarkeit der Menschenwelt verzweifelte.
Er war davon ausgegangen, dass wenigstens angesichts eines Überfalls der Orks alle zusammenhalten würden.
Nein, entgegneten die beiden. Man konnte sie nicht erkannt haben. Die Wachsoldaten waren jung, nie vorher gesehen. Und dann, der Verwaltungsrichter war bestimmt ein Aas und verzieh nichts, was wahr ist, ist wahr, aber sie hatten ja schließlich nicht die Grafschaft verhökert! Sie waren bloß desertiert. Vor acht Jahren. Und was war das schon? Zum Tod verurteilt waren sie, und ob, was wahr ist, ist wahr, aber keiner erinnerte sich an sie und sie wurden auch nicht gesucht, sie waren ja schließlich keine Elfen, mit Verlaub gesagt. Sie waren nur Deserteure. Man hatte sie jedenfalls nicht erkannt.
Sie hatten nur gesagt, dass die Orks gekommen waren und Varil eingekesselt hatten und dass sie den Söldnerhauptmann sprechen wollten, um ihn um Hilfe zu bitten. Nicht einmal eine Antwort hatte man ihnen gegeben. Man hatte auf sie geschossen, zum Glück waren sie nicht schwer verletzt, nur ein bisschen. Sie hatten Kraft genug gehabt, sich davonzuschleppen und zu ihm zu gehen. Sie waren sich nicht einmal sicher gewesen, ob es ihn überhaupt noch gab, ob er nicht längst hinüber war, das heißt, immer mit Verlaub gesagt. Als der Drache erlegt worden war, hatte es geheißen, die Flüchtlinge seien alle tot, verschüttet unter dem Erdrutsch, der die Kavallerie aufgehalten hatte. Und auch wenn sie überlebt hatten, war es ihr Los, den Erinnyen zum Fraß zu dienen. Es hieß, dass die den Strand heimsuchten und dort grausam wüteten; und dass es diese Grausamkeit und nicht der Schatten bei Sonnenuntergang sei, weshalb die Dunklen Berge Dunkle Berge hießen. So etwas sprach sich herum. Auch wenn freilich das Gerücht, sie seien davongekommen und am Leben, das einzige war, das man nie zu hören bekam, hatten sie sich auf den Weg gemacht, weil sie ja nichts Besseres zu tun hatten. Schlimmstenfalls würde die Reise vergeblich gewesen sein. Besser sterben, während man etwas Vergebliches tut, als wenn nichts mehr zu machen ist; was wahr ist, ist wahr.
»Und wie seid ihr denn über die Geröllmassen des Erdrutsches weggekommen? Die sind doch unüberwindlich!«, hatte Yorsh nachgefragt.
Die Geröllmassen, die die Schlucht von Arstrid verschlossen hatten, und die senkrecht zum Meer hin abfallende Felsenklippe waren für die Bewohner des Strands und von Arstrid die einzige natürliche Verteidigung. Aber sie antworteten ihm, dass die unüberwindlichen Erdmassen von zahllosen Regenfällen weggespült, mit Gras, Blumen und Sträuchern überwachsen seien und dass man an einer Seite Terrassen angelegt und Rebstöcke gepflanzt hatte. Außerdem führte ein Weg darüber, der war wohl ein bisschen steil, was wahr ist, ist wahr, aber unüberwindlich, nein … Sie, die sie jeder durch einen Pfeil verletzt waren, hatten das jedenfalls alles bewältigen können. Apropos: Warum hatte man wohl auf sie geschossen? Er als Elf wusste doch alles, ob er da eine Idee hätte?
Yorsh hatte schon darüber nachgedacht. Die einzige Antwort, die ihm in den Sinn kaum, war, dass der Verwaltungsrichter schon wusste, dass Veril eingekesselt war (und wenn man es recht betrachtete, war es unmöglich, dass er es nicht wusste, denn irgendwelche Wachposten und Kundschafter musste er doch haben). Der Richter hatte also keinerlei Absicht, Varil zu Hilfe zu kommen, und wollte außerdem nicht offen zugeben, dass er keine Lust dazu hatte.
Sie beide, Palladio und Meliloto, die sich unter den Stadtmauern hinstellten und aus voller Kehle brüllten, der Feind stehe vor den Toren und habe ihr Verteidigungsheer vernichtet, sie waren in den Augen des Richters schlimmere Feinde gewesen als die Orks.
Als er dann genauer darüber nachdachte, kam Yorsh zu dem Schluss, dass seine Theorie wahrscheinlich richtig, aber unvollständig war.
Der Richter wollte nicht zugunsten von Varil eingreifen, und er wollte
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