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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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damit beschäftigt, mit den Mädchen herumzuschäkern und untereinander zu streiten, als dass sie Rindern Beachtung geschenkt hätten. Der Blick des Vaters war weniger leicht zu betrügen, er schaute genau hin, vernichtet von dem Schmerz darüber, sehen zu müssen, dass sein Sohn etwas Verbotenes tat. Aber Husten war Husten und nur Honig konnte ihn ein wenig lindern, ganz zu schweigen von den sagenhaften Tauschaktionen mit Kartoffeln, Käse und Bohnen, die Fiamma in ihr Mäulchen stopfte, jetzt, da sie zu groß war für die wenige Milch der Mutter.
    Er, sein Vater, war nicht in der Lage, diese Dinge zu kaufen. Er schlug die Augen nieder, und Rankstrail fühlte sich wesentlich schlechter, als wenn die Soldaten ihn erwischt und mit Peitschenhieben traktiert hätten. Er schwor, er würde aufhören. Sobald es ging, würde er aufhören. In der zuversichtlichen Erwartung, bald aufhören zu können, verstärkte er seine Aktivitäten aber noch und wurde so zum Experten und wichtigsten Honiglieferanten des Äußeren Bezirks.
    Da war immer jemand, der Husten hatte, ein Nachbar, ein Alter, eins der verwahrlosten Kinder, die im Schlamm spielten. Manchmal bildete sich eine Schlange von Bittstellern vor ihrem Haus und allmählich wurde es zum Mittelpunkt des Viertels.
    An Sommerabenden gab es so köstliche wie unnütze Vergnügungen unter Nachbarn. Es wurde Musik gemacht, kein Flötenspiel, sondern ein laute, schnelle Musik mit Dudelsack und Tamburin, von der man sagte, sie könne die Wirkung des Tarantelbisses heilen. Diese Musik gefiel Rankstrail. Der Rhythmus des Tamburins riss ihn mit, er fühlte sich wie ein Fohlen, das im Galopp über die Hügel jagt. Außer vom Biss der Tarantel heilte diese Musik auch von der Traurigkeit und manchmal auch vom Husten, denn es war vorgekommen, dass Mama ganze Abende lang mit Fiamma auf dem Schoß unter der Haustür saß, mit ihm und dem Vater neben sich, glücklich lachend und fast ohne zu husten.
    Immer häufiger war es Rankstrail, der die Schwester Fiamma hüten musste. Mamas anfängliche Angst vor seiner Ungeschicklichkeit war verflogen, als sie ihn eines Nachts beobachtete, wie er vor seinem Schwesterchen kniete. Fiamma war wach, ihre Fäustchen waren fest um seine dicken Finger geschlossen, und er summte ihr etwas vor, um sie wieder in den Schlaf zu wiegen. Als die Kleine lächeln lernte, lächelte sie mehr den Bruder an als die Mutter, die häufig krank war und sie nicht zu oft in den Arm nahm, um sie nicht mit ihrem Husten anzustecken. Sie lächelte mehr den Bruder an als den Vater, der sich nicht immer von seiner Traurigkeit losmachen konnte, um mit ihr zu spielen. Das erste Wort, das Fiamma sagte, war »Ail«, und Rankstrail lief das Herz über. Um sie zum Lachen zu bringen und zum Einschlafen, erzählte Rankstrail ihr sogar die Geschichte von der Prinzessin und dem Frosch. Er erzählte sie mit eintöniger Stimme und versuchte, sie zu straffen, ja, sie wirklich so knapp wie möglich zu halten, aber auch so gefiel sie ihr. Auf die Geschichte vom Wolf und der Ziege verzichtete er, das ging über seine Kräfte. Als er es einmal versuchte, brachte er den Schluss durcheinander: Der Wolf schlägt endlich seine Zähne ins Fleisch, unter seinen Klauen spürt er Sehnen und Knochen und einmal wenigstens kann er seinen ewigen Hunger stillen. Während er erzählte, sah er den entsetzten Blick der Mutter und hörte sofort auf, aber ein dumpfer Groll auf den unlogischen Schwachsinn des Märchens blieb in ihm zurück: Dieselbe Menschheit, die gewöhnlich ein halbes gebratenes Zicklein oder ein Stückchen Wurst als höchste Gottesgabe pries, ergötzte sich hier am Überleben einer Ziege, als ob sie ihr Kind wäre.
    Eine Wabe zu haben, war schön, es bedeutete, dass er zusehen konnte, wie die Kleine gemächlich und selig wie ein Engelchen die Zellen eine nach der anderen leerte und die klebrigen Händchen an den noch zahnlosen Mund führte. Das einzige Problem war, Fliegen und Bremsen zu verscheuchen.
    Im Alter von sieben Jahren etwa wurde Rankstrail zum Wilderer. Auf seinen Streifzügen unter blühenden Mandelbäumen fiel dem Jungen irgendwann einmal auf, dass es in den Reisfeldern von Reihern und Dommeln nur so wimmelte, allesamt geflügelte Wesen, mehr oder weniger wie Hühner. Er erinnerte sich an seinen Besuch in der Küche des Sire Erktor: Was da auf den Bratspießen steckte, das waren Reiher gewesen. Reiher und bestimmt auch Dommeln ließen sich in Braten verwandeln, ebenso wie Hühner,

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