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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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bringen, in Sicherheit vor etwaigen Durchsuchungen durch Jagdhüter oder Soldaten, blieb Rankstrail doch stehen und hörte zu. Das schien ein Lehrstück, nein, die hohe Schule der Bettelei zu sein. Freilich war hier das falsche Publikum. Um Almosen musste man im Mittleren Bezirk oder in der Zitadelle bitten. Im Äußeren Bezirk, wo die Bettler der Gegend lebten, war es nicht nur unnütz, sondern galt auch als unschicklich. Auch die Anspielung auf eine bessere Vergangenheit war ein Fehler, vor Leuten, deren Existenz von Anfang an vom Elend gezeichnet war, ohne jede Unterbrechung oder Variation des Schicksals. Böses Hohngelächter erhob sich unter den zerlumpten Umstehenden, erst klang es schrill und unangenehm wie ein Kreischen, dann übertönte es die verzweifelte Stimme des Männchens. Rankstrail wurde böse. Das war unhöflich, wie wenn sie seine Mutter »die Gebrandmarkte« riefen. Empört hörte das Männchen die Spötteleien an.
    »Ihr lacht über mich? Über mich? Von allen Berufen war meiner der edelste …«
    Ein paar Jungs warfen mit Steinen nach ihm. Rankstrail wurde wütend. Ob sympathisch oder nicht, das Männlein hatte niemandem etwas zuleide getan. Er spürte, wie die Wut ihm von der Brust in den Kopf stieg. Er stellte sich vor den Hinkenden und erklärte dem, den er für den Anführer der Angreifer hielt, er werde ihm sämtliche Knochen im Leib brechen, wenn er nicht sofort aufhörte. Erstaunlicherweise funktionierte das. Die Menge wich zurück, und es war interessant festzustellen, welche Macht das Wort hatte: Der Tonfall der Stimme war eine Waffe, die sich anstelle von Fäusten einsetzen ließ.
    Das Männchen war zu Boden gefallen. Rankstrail hob es auf und stellte es wieder auf die Beine.
    »B-b-iss du ein ’itter?«, fragte er erstaunt. »Hass du ein Sch-sch’ert ’ehabt? Ein Pferd? Hass du gegen die Oax gekämpft?«
    »Ein Ritter?«
    »Der edelste B-b-e’uf … wie du gesag hass?«
    »Ich bin ein Schreiber, mein Sohn, unter allen Berufen der einzige, der an Adel und Großartigkeit dem des Ritters gleichrangig ist, mindestens ebenso erhaben. Außer die Götter … vielleicht. Die Schreiber bewahren die Geschichte, und das ist noch würdiger, als Ritter zu sein, fundamentaler. Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Zukunft bestimmen. Verstehst du?«
    »S-sicher«, log Rankstrail und glaubte, sich unbemerkt davonstehlen zu können, aber er war nicht schnell genug. Das Männlein packte ihn, und angesichts seines sehr labilen Gleichgewichts wagte Rankstrail nicht, seine Kraft einzusetzen und sich loszumachen.
    »Die Orks habe ich bekämpft …«, Rankstrail hörte wieder interessiert zu, »… indem ich die Wahrheit über sie schrieb … die Wahrheit darüber, wer wirklich gegen sie kämpfte … und wer in Wahrheit Bündnisse mit ihnen einging … auch damals … auch heute … es ist nicht möglich, dass die Orks uns angreifen, ohne dass es da Verräter gibt …« Rankstrails Blick schweifte wieder in Richtung Zuhause, aber das Männchen liefe nicht locker.
    »In Daligar ist man dabei, die Vergangenheit auszulöschen, sie wird ertränkt in einer Flut von Lügen. Die Erinnerung an Sire Arduin geht verloren und mit der Erinnerung verlieren wir unsere Ehre. Die alte Prophezeiung, die von der Begegnung zwischen dem Letzten Elfen und dem Letzten Drachen spricht – weißt du, was das ist, ein Elf, mein Junge?«
    »Sicher«, antwortete Rankstrail entschlossen und überzeugt, »einer mit Sch-sch’anz, der die Mamas von P’inzen s’erben läß’, sodass sie kein M-ma’zipan m-mehr ver’eilen können.«
    Der Mann stöhnte, als ob man ihn ins Gesicht geschlagen hätte. Er fing noch einmal von vorne an. Er war einer der Schreiber von Daligar, den Fängen eines der zahlreichen Henker der Stadt entronnen, der ihm die Rechnung dafür präsentieren sollte, erklärte er dem desinteressierten Publikum, dass er die alte Prophezeiung des Kriegers Sire Arduin, des Herrn des Lichts, des Bezwingers der Orks und Wiederhersteller der Ehre des Volks der Menschen, gelesen und verbreitet hatte. Während das Männchen herumhüpfte – bald sollte Rankstrail das als die unverwechselbare Gangart derer erkennen, denen der Henker die Füße traktiert hat –, wurde es von dem Haufen Jungs erneut mit Gelächter überschüttet. Steinwürfe wagten sie nicht, aus Respekt vor Rankstrails Charakter, aber sie riefen dem Alten Schimpfnamen nach wie »Verrückter Schreiber« oder noch einfacher »Idiot«.
    Rankstrail schenkte

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