Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
Ein Großteil der Bäume war gefällt worden, um verfeuert zu werden und Barrikaden, Leitern und Scheiterhaufen zu errichten. An den verbliebenen Bäumen baumelten die Gehenkten. Einige waren blutjung, fast noch Kinder. In der Mitte erhob sich ein sehr langer Stapel, Hunderte von Reisigbündeln bildeten eine Art Barrikade, darauf waren ein Dutzend Leute an Pfähle gekettet, die Glieder von Blut und Schlamm verschmiert. Der Geruch des mit Öl getränkten Holzes war stärker als der Geruch der Leiber. Einige Orks standen oben auf dem Holzhaufen und schwenkten Fackeln.
Rankstrail blieb stehen. Seine Armee unter großem Waffengeklirr ebenfalls, unter das sich Flüche mischten, weil die Pferde scheuten und einander anrempelten.
Der Orks stimmten ein Triumphgeheul an.
Einer von ihnen, mit Wolfsklauen auf dem Schild, zeigte mit der Hand auf Rankstrail und rief höhnisch: »Du nix mehr schreien ›Jetzt‹. Du nix mehr schreien. Du still. Ich wollen dich oder sie brennen.«
Die anderen Orks grölten und lachten auch.
Rankstrail hob die Hand, um seine Leute zurückzuhalten. Mit einer weiteren Geste befahl er auch dem Wolf stillzuhalten; er sah den Ork an, dann noch einmal die auf dem Scheiterhaufen angeketteten Leiber und schließlich sah er wieder den Ork an.
Ohne ihn aus den Augen zu lassen, stieg er vom Pferd.
»Hauptmann, das ist zwecklos, das ist eine Torheit«, rief sein Leutnant ihm zu, ein Kleiner mit Zöpfchen und verstümmelten Fingern. »Wenn sie dich in Stücke gehauen haben, verbrennen sie sie trotzdem! Tu das nicht!«
»Da sind meine Geschwister dabei, der Dritte von links und das Mädchen im Hochzeitskleid«, antwortete Rankstrail. »Bevor ich abkratze, würde ich doch zu gern wissen, wie zum Teufel meine Schwester auf diesen Scheiterhaufen kommt und warum sie so angezogen ist. Und auch wenn keine Verwandten von mir dabei wären, ändert das nichts: Es sind Frauen und Kinder. Rührt euch nicht.«
Der Hauptmann ließ sein Schwert fallen, öffnete die beiden Schließen, die seinen Panzer an den Schultern hielten, und ließ ihn zu Boden gleiten. Zuletzt nahm er den Helm ab und blieb reglos so stehen, unbewaffnet und wehrlos, er fixierte die Orks, die er vor sich hatte.
Zwei von ihnen hoben ihren Bogen, doch sie kamen nicht mehr dazu, den Pfeil anzulegen.
Yorsh spornte Enstriil an, sprengte auf den Scheiterhaufen hinauf und warf sie um.
»Nein!«, brüllte Rankstrail.
Yorsh stieg vom Pferd, steckte sein Schwert in die Scheide und breitete die Arme aus, wie um die Welt zu umarmen. Die Orks mit den Fackeln legten Feuer ans Holz. Enstriil scheute und traf einen von ihnen. Weitere Fackeln fielen aufs Holz, aber die Flammen loderten nicht auf, sie bewegten sich züngelnd zwischen dem Holz und dem trockenen Reisig wie Würmer in einem fauligen Fisch. Das Öl entzündete sich nicht. Es kostete Yorsh eine furchtbare Anstrengung, die Flammen einzudämmen. Das Feuer, das auf dem Scheiterhaufen nicht brannte, loderte in seinem Kopf. Jeden Augenblick konnte er zusammenbrechen. Er hatte nicht mehr viel Zeit. Hinter sich hörte er, wie das Getöse der Schlacht wieder losging. Er hatte das Feuer der Orks aufgehalten, nicht ihre Waffen.
Er hielt weiterhin den linken Arm ausgestreckt, die Finger der Hand gespreizt, um das Feuer unter Kontrolle zu halten, mit der rechten Hand zückte er das Schwert und ließ es mit aller Macht auf die Ketten der ersten Geisel niedersausen, die zersprangen wie Glas.
Die Geisel war die junge Frau im Hochzeitskleid; sie trug an einem blauen Band ein kleines beinernes Herz um den Hals und einen Bogen über der Schulter.
Yorsh deutete mit dem Kopf auf sein Schwert und auf die anderen Gefangenen und sie begriff. Sie nahm ihm das Schwert aus der schon zitternden Hand und durchschlug damit die Ketten der zweiten Geisel, eines alten Mannes, dessen Gesicht blutüberströmt war, weil sich offenbar jemand den Spaß gemacht hatte, ihm den Bart auszurupfen.
Das Efeuschwert funkelte wild. Plötzlich sah sich Yorsh einem Ork gegenüber. Riesig, mit einer grausig leeren Augenhöhle, die sich gähnend inmitten der Schuppen und Krallen in seinem Gesicht auftat. Doch er kam nicht dazu, die Axt zu heben, Hauptmann Rankstrail ohne Helm und ohne Harnisch hatte sein Schwert wieder gepackt. Der Kopf der Orks wurde mit einem einzigen Schlag vom Rumpf getrennt.
Yorsh spürte die wilde Freude, womit der Blinde gern auf ihn eingeschlagen hätte, die grausame Lust, womit er die Fackel hatte fallen lassen,
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