Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
das Glücksgefühl, womit er die Flammen hätte auflodern sehen, aber wieder spürte er dahinter eine aufbrausende, grausame und verzweifelte Mutter, die ihm als Kind einmal die Finger der einen Hand mit einem Stein zertrümmert hatte, um ihn für den Diebstahl eines Stücks Karotte zu bestrafen. Er sah eine Reihe von schmutzigen Kindern, unter einer Schlammlawine zurückgelassen. Er hörte ein langes, nie getröstetes Weinen, das sich wie ein Gewimmer in endgültiger Stille verlor, unterbrochen nur noch durch das Geräusch des Regens und des Donners.
Hauptmann Rankstrail benutzte die Axt, um die Ketten auch der anderen Gefangenen zu zerschlagen, und wo sie nicht nachgaben, riss er die Pfähle aus.
Seine Männer halfen ihm, stützten die Gefangenen und halfen ihnen vom Scheiterhaufen herunter.
Yorsh konnte Arme und Hände noch ausgebreitet halten, aber seine Beine gaben nach. Er fiel auf die Knie. Als auch der letzte Gefangene in Sicherheit war, packte Hauptmann Rankstrail ihn beim Hemd, als ob er bloß ein Stoffbündel wäre, und stieß ihn hinunter, wobei er gleichzeitig auch mitsprang. Gemeinsam rollten sie im Schlamm.
Yorshs Sicht trübte sich. In seinem Kopf verschmolz die Müdigkeit mit dem Schmerz der Toten, dem Grauen der Geköpften, dem Weinen eines Orkkindes, das Erinnerungen in ihm wachrief, die er nicht fassen konnte. Das Flackern der Brände von Varil, die jenseits der noch blühenden Mandelbäume wüteten, verblasste. Rankstrail packte ihn erneut bei seinen Kleidern, stellte ihn auf die Füße und lehnte ihn an den Stamm eines der wenigen Bäume, die da noch standen.
Mit einer groben Bewegung seiner riesigen Hände strich er ihm Schlamm und Haare aus dem Gesicht. Hauptmann Rankstrail fehlte einiges an seiner Ausrüstung, unter anderem Handschuhe. Er packte seine Waffen mit der nackten Hand und seine Handflächen zeigten die Spuren davon. Yorsh versuchte, ihm auszuweichen.
»Bist du verletzt?«, fragte Rankstrail unwirsch. »Bist du krank?«
»Ich bin müde«, antwortete Yorsh verlegen und mit dünner Stimme.
Er zitterte. Er sah den anderen an. Zum ersten Mal standen sie sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
Das Mädchen im Hochzeitskleid kam näher und gab ihm mit einer angedeuteten Verbeugung das Schwert zurück. Das Heft war dermaßen schmutzig und verrußt, dass man die Efeuranken kaum mehr erkannte. Die Klinge aber strahlte so hell wie noch nie.
Kapitel 22
Irgendwo auf der Strecke zwischen dem östlichen Rand der Reisfelder und den Hügeln hatte Hauptmann Rankstrail aufgehört, der Verfolger zu sein, der eine Beute jagt, und war wieder der Krieger geworden, der auszieht, seine Leute und sein Land zu befreien.
Die Verfolgungsjagd war zu Ende gegangen und der Kampf hatte begonnen. Der Elf war kein Flüchtling mehr, den man auf Befehl des Verwaltungsrichters zu fangen hatte, sondern der einzige Kommandant, dem zu folgen er je bereit gewesen war.
Rankstrail hatte das Gefühl gehabt, er selbst zu sein und zugleich Yorsh, der vor ihm im Wind dahinritt, und er fühlte dessen Ruhe und Zuversicht, die nicht weniger stark waren als seine eigene Verzweiflung und Wut. Im Gesicht spürte er den gleichen Wind, der Yorsh und den anderen Kriegern entgegenschlug. Es war, als ob alle EIN Mann geworden wären.
Zum ersten Mal, seitdem er die zweifelhafte Ehre hatte, sein Besitzer zu sein, fühlte Rankstrail seinen Gaul rennen wie der Wind, regelrecht fliegen. Selbst Wasser und Schlamm waren kein Hindernis für seine Hufe. Die anderen mochten ja ihre Zweifel haben, aber er kannte seinen Zecca und wusste, dass nicht einmal ein Rudel hungriger Wölfe auf den Fersen ihn dahin bringen könnte, so schnell zu laufen.
Es war die Magie des jungen Elfen, wenn ihre Pferde derart schnell rannten.
Als der zum Führer gewordene Gejagte die Feuer entzündete, die ausreichend Licht gaben, um im Gelände voranzukommen, wurde Rankstrail klar, warum alle die Elfen immer gehasst hatten. Es war eine Mischung aus Neid und Angst, worin jedes der beiden Elemente für sich allein schon tödlich war, die sich aber gegenseitig noch steigerten. Rankstrail verstand den Grund für den Hass, dessentwegen die Elfen ausgerottet worden waren.
Was er aber nicht verstand, war, wie man sie hatte töten können, die Elfen. Wenn sie auch nur annähernd dem glichen, der da vor ihm dahinritt, mussten sie unbesiegbar gewesen sein.
Dann vergaß Rankstrail alles, außer den Hufen seines Pferdes, die im gleichen Rhythmus mit denen des
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